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1. Neue Landeskunde des Königreichs Württemberg - S. 25

1911 - Stuttgart : Holland & Josenhans
e) Beschäftigung der Bewohner: Die Hauptnahrungsquellen sind Ackerbau und Viehzucht, Obstbau und namentlich Industrie. Von den Erzeugnissen der Landwirtschaft werden hauptsächlich Milch, Butter, Schlachtvieh, Getreide, Kartoffeln, Gemüse, Eier, Obst und selbst Wein ver- kauft. Diese finden in den Jndustrieorten des Albvorlandes guten Absatz, werden aber teilweise auch bis uach Stuttgart verschickt. Vereinzelte kleinere Industriegebiete sind um Spaichingen, Balingen und Aalen; aber ein grotzer, ohne Unterbrechung zusammenhängender Industriebezirk ist bete mittlere Stück des Albvorlandes, die Strecke von der Steinlach bis hinunter zum Filstal. Vor allem ist Reutlingen der Sitz einer bedeutenden Industrie. Zum einfachen Handwerk der Gerber und Färber aus der Zeit der Schlacht bei Reutlingen ist eine ganze Reihe neuer Zweige gewerblicher Tätigkeit hin- zugekommen. Von größter Bedeutung sind die hochentwickelte G e w e b e i nd u st r i e, dieschuh- fabrikation, der Maschinenbau und die Metalltuchsabrikation. Die Gewebe-' oder Textilindustrie beschäftigt allein 4000 Arbeiter. Zn ihr gehören die Spinnerei, Weberei, Wirkerei und Strickerei. Wie die Metalltuchsabrikation aus der alten Siebtnacherei, so ist die Reutlinger Gewebeindustrie aus der uralten, Hand- werksmäßigen Zeug- und Tuchweberei hervorgegangen. Die Anwendung der Maschine hat eine völlige Umwandlung hervorgerufen. Der Arbeiter, der im überhitzten Spinn- saale bei tosendem Lärm seine Maschine bedient, verrichtet meist eine Arbeit, in die man nichts von eigener Geschicklichkeit und Energie hineinlegen kann. Die Maschine macht gesetzmäßig ihre bestimmte Zahl von Bewegungen pro Sekunde, und der Mensch befriedigt nur ihre Bedürfnisse. Er gibt ihr Öl, er knüpft zerrissene Fäden, er ersetzt ab- gelaufene Spulen oder verrichtet Arbeiten, die heute noch nicht von der Maschine über- nommen werden können. Staunend und ohnmächtig steht der alte Leineweber dieser Entwicklung gegenüber; der mechanische Webstuhl verrichtet etwa das Zweihundertfache von der Arbeit eines Handwebers. In Reutlingen wird hauptsächlich Baumwolle ver- arbeitet. Die Baumwollspinnerei von Ulrich Gminder zählt mehr als 40 000 Spindeln. Mit der Baumwollweberei zusammen beschäftigt diese Firma allein über 2500 Arbeiter und ist eine der größten des Landes. Bon großer Bedeutung ist auch die Reutlinger Trikot- und Strickwarenindustrie. Sie hat in neuester Zeit infolge der zu- nehmenden Sportlust einen bedeutenden Aufschwung genommen; denn Fußball- und Tennisspiel, Rodeln und Schneeschuhlaufen erfordern eine besondere Kleidung. Neben der Fabrikbeschäftigung hat dieser Industriezweig auch viel sogenannte Heimarbeit, wie Stricken, Häkeln, Zusammensetzen, Nachbessern usw., gebracht. Damit sind freilich auch mancherlei Unzuträglichkeiten, wie Überanstrengung von Kindern und zu langes Sitzen der Erwachsenen bei teilweise sehr mangelhafter Entlohnung verbunden. In Beziehung zur Gewebeiudustrie stehen sodann die Dampfwäscherei und Bleicherei, in denen die Baumwollwaren gefärbt oder gebleicht werden. In Reutlingen besteht eine dem ganzen Lande dienende Webschule, das Technikum sür Textilindustrie, das sich zur Aufgabe macht, tüchtige Fabrikanten, Musterzeichner und Webmeister für Spinnerei, Weberei, Wirkerei und Färberei heranzubilden. Die S ch u h f a b r i k a t i o n hat durch die Maschine ebenfalls eine große Ver- änderung erfahren. Ein Stiefel, der früher von einem einzelnen Mann vollständig fertiggestellt wurde, geht heute durch 46 einzelne Maschinen, bis etwas Ganzes daraus entsteht. Da wird mit einer Maschine die Sohle ausgestanzt, mit einer andern der Absatz angefertigt usw. Der einzelne Mensch an der Maschine ist eigentlich gar kein Schuhmacher mehr, braucht es wenigstens nicht zu sein, sondern er ist nur der Hand- langer seiner Maschine. Eine interessantere und auch lohnendere Arbeit ist der Maschinenbau. Dazu braucht man. Eisendreher, Hobler, Schlosser, Schmiede, Former, Eisengießer usw. Hergestellt werden vor allem Strickmaschinen, Webmaschinen, Papiermaschinen, land- wirtschaftliche Maschinen, Werkzeugmaschinen u. a. Besonders interessant ist die Arbeit des Eisengießers. Aus Formsand oder Lehm werden allerlei eigenartige Formen hergestellt. Dann wird in Hochöfen das Metall flüssig gemacht. Zwischen zwei Lagen
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