1893 -
Leipzig
: Hinrichs
- Autor: Buchholz, Paul
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Charakter-Vögel Europas. 31
Dieser ihrer Bedeutung und Würde scheint sie fast sich bewußt
zu sein; denn sie ist ein höchst kecker, man möchte fast sagen
stolzer Vogel: alle ihre Bewegungen haben etwas Würdiges und
gleichsam Abgemessenes. Gegen den Menschen ist sie zutraulich
und wohnt, wie das gleichfalls europäische Rotkehlchen und viele
andere kleine Sänger, in seiner Nähe, eine stets willkommene,
werte Nachbarin, die seinen zartesten und geheimsten Em-
pfindungen Ton und Melodie verleiht und den Frühlingshain
— vom April bis Mitte Juni — für ihn zum Konzertsal
macht.
Doch singen nicht alle Nachtigallen gleich gut: es giebt unter ihnen
mittelmäßige und schlechte; und dies soll oft ganze Gegenden betreffen.
So sollen die an den pommerschen Seeküsten wohnenden die schlechtesten,
die in der Gegend von Wörlitz und Dessau die besten Sänger sein,
weil ihre Kunst forterbt und die Kinder so singen, wie sie es von den
Eltern gehört haben; da nun dieselben Nachtigallen jedesmal die gleiche
Gegend wieder beziehen, so erstreckt sich auch der gute oder schlechte
Gesang auf ganze Landstriche.
5. Ganz anderen Interessen der zivilisierten Menschheit
Europas dient ein anderer Charaktervogel seines Bereiches, den
wir nicht uubesprochen lassen können: die Giderelljt. Dieser
Vogel bettet den Menschen weich und warm mit den Federn,
welche er für seine eigne Brut sich selbst ausrupft und dem
Menschen gleichsam ins Haus, ja in Norwegen zuweilen in die
Küchen der Baueruhöfe trägt. Island ist ein Hauptbrüteplatz
der Eiderenten. Hier ist oft an einigen Stellen der Boden mit
den Nestern der Eiderenten ganz bedeckt, so daß man sich in
acht nehmen muß, nicht in dieselben zu treten. Rund lim das
Wohnhaus, an der Gartenmauer, auf den Dächern, selbst im
Innern der Häuser und in der Kapelle sitzen Enten auf ihren
Nestern. Die Nester selbst siud mit weichem Flaum (Eider-
daunen) ausgefüttert, welchen die Ente sich mit dem Schnabel
aus der Brust rauft, und auch um das Nest herum hat sie
solchen liegen, um damit die Eier zu bedecken, wenn sie auf
Nahrung geht, was gewöhnlich in den Stunden der Ebbe ge-
schieht. Man nimmt der Ente diese Daunen zweimal aus dem
Neste, so daß sie gezwungen wird, sich dreimal zu rupfen, ja
zuweilen muß sie es viermal thun. Hat sie alles das Ihrige
hergegeben, so ersetzt das Männchen das Fehlende. Auch nimmt
man gewöhnlich mit den Dunen die Eier — deren sie jedesmal