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1. Charakterbilder aus Europa - S. 98

1891 - Leipzig : Hinrichs
98 Der Vesuv. man reiten, bis zu dem 560 m hoch liegenden Observatorium», der Vesuv-Warte des Professors Palmieri, auch fahren. Der Weg führt durch unabsehbare, schauerlich zerklüftete Felder erstarrter Lavamassen von brauner, grauer, rötlicher, schwarzer Farbe, die bei den zahlreichen Ausbrüchen, alles auf ihrem Wege verheerend, weit ins Land hineingeflossen sind und er- kältend sich in den wunderlichsten Formen aufgetürmt haben — wahre Sinnbilder der Vernichtung. Hie und da fühlt man es heiß unter den Sohlen. Aus Spalten und Löchern dringt der schweflige Dampf. Wo die Lava- und Aschenmassen schon verwittert sind, d. h. am Fuße und an vereinzelten Punkten der Abhänge, breiten sich üppige Wein- und Obstgelände aus. Höher hinauf wächst kein Halm auf den öden, verbrannten Klippen und Aschenfeldern. — c) Überwältigend ist das Schauspiels wenn man bei einem nächtlichen Ausbruch oben am Rande dek Kraters steht, der, an Umfang, Tiefe und Gestalt immer wech- selnd, sich wie ein ungeheurer trichterförmiger Abgrund in dem Gipfel des Kegels aufthut. Wie glühende, schwarzbeschuppte Schlangen winden die schwerfälligen Lavaströme sich zwischen den hellbeleuchteten, riesigen Steinmassen. Aus eiuem feurigen See ragt ein kleinerer Auswurfskegel auf, aus dessen Mündung stoßweise unter donnerartigem Gedröhn glühende Massen gen Himmel geschleudert werden. Wie Hunderte von Raketen fahren die Funken und Klumpen, in wirbelnden Dampf gehüllt, hoch über den Kraterrand empor, um wie eine Feuergarbe prasselnd zurückzufallen. Man glaubt durch die geöffneten Pforten der Hölle zu fchaueu. — Daß die Thore der Unterwelt sich auf- gethan hätten und der jüngste Tag erscheine, glaubten die Be- wohner dieser im Altertum noch glanzvolleren und reicheren Küste, als nach mehrtägigem Erdbeben am 24. August des Jahres 79 n. Chr. der bis dahin ganz unthätige und ungefürchtete Berg sich plötzlich öffnete, unter Blitz und Donner glühende Lavamassen und erstickende Dämpfe ausstieß und ein die Sonne verfinsternder Regen von Asche und heißen Steinen alle be- nachbarten Ortschaften mit einem großen Teile der Bewohner begrub. Gedicht „Der Vesuv im Dezember 1830" von Platen.
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