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1. Unsere Heimat - S. 104

1914 - Halle a.d.S. : Schroedel
— 104 — war allgemein bekannt, daß er die Bauern seines Bezirkes durch Hand- und Spanndienste so schwer drücke, daß sie ihren eigenen Ackerbau ver- säumen mußten und dabei ganz verarmten. Als nun der König in den Amtshof einfuhr, rief er mit lauter Stimme: „Wo ist der Bauern- schinder, der Amtmann Fahrenholz?" Dieser war aber aus Angst vor dem König schon geflohen. Aus Unwillen darüber betrat der König das Gutshaus nicht, sondern speiste in einer Scheune zu Mittag. — Hier in Woffleben spielte sich noch ein drolliger Vorgang ab. Als der König in der Scheune zu Mittag aß, stand das Volk draußen und wollte den König sehen. Da kam der „alte Dessauer", der in der Begleitung des Königs war, heraus und mischte sich unter die Leute. Ehrerbietig zogen alle den Hut vor dem alten Haudegen bis auf einen Nordhäuser Bürger. Dieser meinte, da er als „freier Reichsstädter" nicht preußischer Untertan war, seinen Hut aus dem Kopfe behalten zu dürfen. Darüber wurde der „alte Dessauer" fuchswild und bearbeitete den Nordhäuser so mit seinem Knotenstock, daß er vorzog, das Weite zu suchen. 2. Von Woffleben begab sich der König nach Bleicherode, der Hauptstadt der Herrschaft Hohenstein. Als er das Städtchen wieder verließ und nach der Domäne Lohra fahren wollte, lief eine Achse seines Wagens in Brand. Während der Schaden ausgebessert wurde, erschien die Frau des Amtmanns Hofmann von Lohra, um den König um eine Ermäßigung der Pachtsumme zu bitten. Unglücklicherweise trug die Frau nun ein Kleid von französischem Kattun. Bei der Abneigung des Königs gegen alle ausländischen, besonders aber gegen französische Stoffe, ist es begreiflich, daß die Frau einen Erfolg ihres Gesuches von vorn- herein vereitelte. Kaum hatte sie sich unter vielen Knixen dem Könige genähert und ihre Bitte vorgebracht, als er unwillig erwiderte, daß er keinen Pfifferling von der Pachtsumme ablassen werde; denn wenn sie noch Geld für französische Kleider übrig habe, dürfte auch die Domänen- kammer in Halberstadt (wozu die Grafschaft Hohenstein gehörte) ihr Geld erhalten können. Durch die Bitte der Frau auf die Wirtschaft ihres Mannes aufmerksam gemacht, beschloß der König, sich in Lohra genau von dem Stande der Dinge zu überzeugen. Auch über den Amt- mann Hofmann wurden von den Untertanen zahlreiche Beschwerden erhoben; der König fand sie gerechtfertigt, er ließ den Amtmann fest- nehmen und nach der Festung Magdeburg abführen. — Am andern Tage hielt sich der König auf dem Rittergut in Pustleben auf. Auch hier belustigte der „alte Dessauer" die zahlreich herbeigeeilten Landleute wieder durch seine Späße, indem er sich ihnen als ihren König vorstellte. Er rief aus dem geöffneten Fenster: „Wollt ihr den König sehen? Ich bin es!" Aber lachend erwiderten diese: „Dich kennen wir wohl, du bist der alte Dessauer, unser König bist du nicht." — Über Nord hausen und Halle fuhr der König nach Berlin zurück.
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