1914 -
Halle a.d.S.
: Schroedel
- Autor: Heine, Heinrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Nordhausen
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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war allgemein bekannt, daß er die Bauern seines Bezirkes durch Hand-
und Spanndienste so schwer drücke, daß sie ihren eigenen Ackerbau ver-
säumen mußten und dabei ganz verarmten. Als nun der König in den
Amtshof einfuhr, rief er mit lauter Stimme: „Wo ist der Bauern-
schinder, der Amtmann Fahrenholz?" Dieser war aber aus Angst vor
dem König schon geflohen. Aus Unwillen darüber betrat der König
das Gutshaus nicht, sondern speiste in einer Scheune zu Mittag. —
Hier in Woffleben spielte sich noch ein drolliger Vorgang ab. Als der
König in der Scheune zu Mittag aß, stand das Volk draußen und
wollte den König sehen. Da kam der „alte Dessauer", der in der
Begleitung des Königs war, heraus und mischte sich unter die Leute.
Ehrerbietig zogen alle den Hut vor dem alten Haudegen bis auf einen
Nordhäuser Bürger. Dieser meinte, da er als „freier Reichsstädter"
nicht preußischer Untertan war, seinen Hut aus dem Kopfe behalten zu
dürfen. Darüber wurde der „alte Dessauer" fuchswild und bearbeitete
den Nordhäuser so mit seinem Knotenstock, daß er vorzog, das Weite
zu suchen.
2. Von Woffleben begab sich der König nach Bleicherode, der
Hauptstadt der Herrschaft Hohenstein. Als er das Städtchen wieder
verließ und nach der Domäne Lohra fahren wollte, lief eine Achse seines
Wagens in Brand. Während der Schaden ausgebessert wurde, erschien
die Frau des Amtmanns Hofmann von Lohra, um den König um eine
Ermäßigung der Pachtsumme zu bitten. Unglücklicherweise trug die
Frau nun ein Kleid von französischem Kattun. Bei der Abneigung des
Königs gegen alle ausländischen, besonders aber gegen französische Stoffe,
ist es begreiflich, daß die Frau einen Erfolg ihres Gesuches von vorn-
herein vereitelte. Kaum hatte sie sich unter vielen Knixen dem Könige
genähert und ihre Bitte vorgebracht, als er unwillig erwiderte, daß er
keinen Pfifferling von der Pachtsumme ablassen werde; denn wenn sie
noch Geld für französische Kleider übrig habe, dürfte auch die Domänen-
kammer in Halberstadt (wozu die Grafschaft Hohenstein gehörte) ihr
Geld erhalten können. Durch die Bitte der Frau auf die Wirtschaft
ihres Mannes aufmerksam gemacht, beschloß der König, sich in Lohra
genau von dem Stande der Dinge zu überzeugen. Auch über den Amt-
mann Hofmann wurden von den Untertanen zahlreiche Beschwerden
erhoben; der König fand sie gerechtfertigt, er ließ den Amtmann fest-
nehmen und nach der Festung Magdeburg abführen. — Am andern Tage
hielt sich der König auf dem Rittergut in Pustleben auf. Auch hier
belustigte der „alte Dessauer" die zahlreich herbeigeeilten Landleute
wieder durch seine Späße, indem er sich ihnen als ihren König vorstellte.
Er rief aus dem geöffneten Fenster: „Wollt ihr den König sehen? Ich
bin es!" Aber lachend erwiderten diese: „Dich kennen wir wohl, du
bist der alte Dessauer, unser König bist du nicht." — Über Nord hausen
und Halle fuhr der König nach Berlin zurück.