1887 -
Münster i.W.
: Schöningh
- Autor: Treuge, Julius, Hellinghaus, Otto
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
4 Afrika,
Kniee nieder; auf ihren Rücken wird der tote Häuptling gesetzt, mit seinen
Perlen und anderen Schätzen geschmückt und auf jeder Seite von einer
seiner Frauen gehalten, während die dem Range nach zweite Frau zu
seinen Füßen sitzt. Dann schaufelt man Erde darüber, und alle Frauen,
mit Ausnahme der zweiten, werden lebendig begraben. Ihr ist die Sitte
gnädiger als ihren Genossinnen: denn sie gewährt ihr das Vorrecht, ge-
tötet zu werden, ehe das scheußliche Grab zugeworfen wird. Wenn dies
geschehen ist, wird eine Anzahl männlicher Sklaven, manchmal vierzig
bis fünfzig, geschlachtet und mit ihrem Blute das Grab besprengt; hier-
auf läßt mau den Fluß wieder in sein Bett zurückströmen. Mit Bam-
barre, dem Vater Kasongos, sollen nicht weniger als huudert Frauen
lebendig begraben worden sein; hoffen wir indes, daß diese Zahl auf
Übertreibung beruht.
Kleinere Häuptlinge werden nur mit zwei bis drei Frauen begraben,
und auch nur wenige männliche Sklaven müssen ihr Blut zur Be-
sprenguug des Grabes vergießen. Der gemeine Mann aber wird ganz
allein in seine Gruft gesetzt, den Zeigefinger der rechten Hand empor-
gerichtet, so daß er damit gerade bis an die Spitze des Grabhügels reicht.
Am 21. Januar 1875 traf Kasougo nach längerer Abwesenheit in
seiner Hauptstadt Kilemba wieder ein, nachdem immer wachsender Lärm
von Trommeln und Jauchzen sein Nahen schon lange verkündigt hatte.
Nachmittags ging ich, ihm meinen Besuch abzustatten. Beim Ein-
tritt in die Umzäunung seiner Massumba (Residenz) suchten meine
Blicke vergebens nach einer Gestalt, in der ich einen so großen Hänpt-
ling, als welcher mir Kasongo geschildert worden, hätte vermuten kön-
nen. Als aber die versammelte Menge eine Gasse bildete, um mich hin-
dnrch zu lassen, sah ich vorn an der Hansthüre einen jungen Mann
stehen, der seine Umgebung fast um eiues Kopfes Länge überragte. Das
war der berühmte Kasougo. Hinter ihm standen einige Frauen, die
seine Schilde trugen; er selbst hielt seinen Speer in der Hand.
Es waren alle möglichen Vorkehrungen getroffen, um ungeladene
Gäste oder unwillkommene Eindringlinge fern zu halten. Der Eingang
zu der Massumba war jetzt stark von Schildwachen besetzt, und ein
Pförtner mit einem Schurz von Leopardenfell um die Hüfte und mit
einem gewaltigen Hakenstock in der Hand forschte jeden Ankommenden
mit der peinlichsten Genauigkeit aus, bevor er ihn in die Nähe des
Herrschers zuließ. Kasongo, umgeben von seinen Fetisch-Priestern und
einer kleinen Zahl seiner Franen, geleitete nns in die Haupthütte. Hier
überreichten wir ihm ein kleines Geschenk und verabschiedeten uns dann
sogleich wieder; denn es war dies nur eine der gewöhnlichen Versamm-
lungen. Doch gab mir Kasongo als Ehrenbegleitnng seine Musikbande
mit und ließ mich von ihr nach Hause spielen.