1887 -
Münster i.W.
: Schöningh
- Autor: Treuge, Julius, Hellinghaus, Otto
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
28 Afrika.
lung, Schiedsgericht) von den Eingeborenen geplündert und niedergebrannt
wurde. Ein Europäer, der Besitzer, wurde erschossen und eiu zweiter, sein
Gehilfe, auf der Flucht am Arme verwundet. Die Übelthäter waren die
Einwohner eben jenes großen Dorfes Winga, das so friedlich dalag
zwischen seinen Olpalmenhainen, über die bläulicher Rauch sich empor-
kräuselte. Die Frauen bereiteten dort das Morgenmahl, während schon
viele der Männer am Strande und in Kanoes beschäftigt waren, die
großen einheimischen Schleppnetze auszuwerfen, andere ihre kleinen Fahr-
zeuge seewärts verstreut bis in unser Fahrwasser verankert hatten, um
ihr Glück mit der Angel zu versuchen. Grüße und Zurufe wurden ge-
wechselt, einige vortreffliche Fische nach den unumgänglichen längeren Er-
örterungen gegen Rum eingetauscht; daun ließen wir die kleine, in den
Wellen auf und ab hüpfende Flottille langsam hinter uns zurück.
Einige Meilen vor uns lag das Dorf Buluango, weiter im Norden
und noch nicht unterscheidbar rundeten sich die nur wenig ins Land ein-
greifenden Baien von Puntanegra und Loango. An allen jenen Stellen
standen vor Zeiten zahlreiche Gehöfte der Europäer; hier ankerten die
Schiffe, welche die eingetauschten Menschen aufnahmen und übers Meer
führten; denn dieser kleine Küstenstrich war einst ein Hauptsitz des
Sklavenhandels, der im Laufe des jetzigeu Jahrhunderts durch die Wach-
famkeit der englischen Kreuzer lahm gelegt wurde und seit fast zwei Jahr-
zehnten gänzlich erloschen ist.
Die heiße Sonne brütete über dem schimmernden, dunkelgrün ge-
färbten Meere und über der nicht reizlosen, in der Glut zitternden Land-
fchaft. Regelwidrig setzte die sehnlich erwartete Seebrise erst gegen Mittag
ein und brachte uns fröhliche Fahrt. Allmählich öffnete sich die Bai von
Puntanegra, in deren innerstem Winkel eine Anzahl freundlicher, zum
Teil glänzend weiß getünchter Faktoreien liegt. Weiter zur Linken und
landein erhebt sich aus einer Bodenschwelle ein geschlossenes Wäldchen
von auffallend regelmäßigen Umrissen, als wären diese künstlich hervor-
gebracht; dahinter verborgen ist in der Niederung des merkwürdigen, nur
periodisch mündenden, lagnnenähnlichen Flusses Songolo, Dorf und
Distrikt von Lnandschili, wo die Könige Loangos begraben liegen. Nörd-
lich desselben, von einzelnen mächtigen Affenbrotbäumen gekrönt, erhebt
sich der Doppelhügel Lubu, auf deffen einem Gipfel, mit dem Glase eben
erkennbar, die Hütten des gleichnamigen Dorfes zusammengedrängt sind,
dessen Distrikt, wie der von Lnandschili, in unverletzlichem Landfrieden
liegt und durch keine Blutschuld euweiht werden darf. Denn zu Lubu,
auf dem Hügel, hütet der alte Häuptling Winga die Gräber der durch
mütterliche Abstammung Rang. Besitz und Würden ererbenden Nach-
kommen der alten Herrscherfamilien, der Prinzen und Prinzessinnen von
Loango, deren Überreste nur an dieser Stelle der Erde übergeben werden