1887 -
Münster i.W.
: Schöningh
- Autor: Treuge, Julius, Hellinghaus, Otto
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Schweinsurth: Die Musik der B»ngo. 75
die Wildnis erschallenden Höllenlärmes, während hunderte von Frauen
und Kindern die mit kleinen Steinchen gefüllten Flaschenkürbisse schütteln,
als gelte es Butter zu schlagen, oder mit Stöcken und dürrem Reisig
aufeiuanderschlagen, was einen ganz eigentümlichen Effekt hervorbringt.
Schwerer .ist es, die Gesäuge der Bongo wiederzugeben; es läßt sich von
ihnen eben nur sagen, daß sie in einem plappernden Recitativ bestehen,
welches bald an Hundejammer, bald an Kuhgebrüll erinnert und mit
langen Schwätzereien in gewöhnlicher Stimme, aus einer Reihe schnell
hintereinander ausgestoßener Worte gebildet, abwechselt. Den Beginn
einer Vorstellung stimmt stets ein lebhaftes Tempo an; alle kreischen,
schreien und brüllen, je nach Geschlecht, aus Leibeskräften. Allmählich
nimmt der Schwall der Töne an Kraft ab, die Taktgeschwindigkeit ver-
ringert sich, und wie klagend und schwermütig klingt der Gesang. Schaurige
Weisen, nordischen Grabeskläugeu vergleichbar, glaubt man da zu ver-
nehmen, aber schnell und unerwartet bricht sich wieder die ungezügelte
Lustigkeit und der Übermut unermüdlicher Negerkehlen Bahn, und grell
platzen auseinander die Kontraste, wie Sonnenschein und Regen. Nie
konnte ich mich, so oft ich ihren Festen beiwohnte, des Gedankens ent-
schlagen, daß die ganze Musik der Bongo nur deu Nachahmungstrieben
ihren Ursprung verdankt, welchen der Arensch allen Vorbildern gegenüber
zu erkennen giebt, die ihm die große und unüberwindliche Natur vor-
führt. Solche Orgien machten auf mich immer den Eindruck, als hätteu
sie den alleinigen Zweck, das entfesselte Treiben der Elemente zu verherr-
licheu. Die Gewalt eines Tropenorgans zu schildern, muß jedes In-
strumeut, das der Mensch ersinnt, schwach und ohnmächtig erscheinen.
Daher die verzweifelten Keulenschläge, mit denen das Fell der Riesen-
trommel in Schwingungen versetzt wird; sie sollen den „eichenspaltenden
Donnerkeil" vergegenwärtigen, die rasende Sturmeseile, das Brausen
und Sausen des vom Winde gepeitschten Regens; das vermag nur ein
hundertstimmiger Chor der stärksten Lungen andeutend wiederzugeben.
Das Gebrüll der geängstigten Waldtiere findet seinen Ausdruck in den
Hörnerklängen, die kreischenden Vogelstimmen in Pfeifen und Flöten;
dazu tönt taktbildend das dumpfe Gebrüll der Maujiuji (Holzposaunen)
durch alles hindurch, dem lange nachrollenden Donner vergleichbar. Es
rasselt und plätschert in den Zweigen, die hohen Laubwipfel bewegt der
Sturm, und in dem derben Lederlaube der Gesträuche klappert es von
herniederrieselndem Regen —, das stellt der Chor der Weiber und
Kinder dar, welche die Kürbisflaschen mit den Steinchen schütteln, und
der rasselnde Lärm anseinandergeschlagener Hölzchen.