1887 -
Münster i.W.
: Schöningh
- Autor: Treuge, Julius, Hellinghaus, Otto
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
v. Thielemann: Der Popocatepetl. 231
hervorragte, doch hatten sich im Osten die Nebel gebrochen und gestatteten
manchen schönen Blick in das Land um Puebla. Der Pie von Orizaba
und der Jztaccihnatl schauten fortwährend klar und heiter aus die wogen-
den Nebel herab, auch der Süden war gänzlich wolkenfrei, und bis in
die endlose Ferne zogen sich die Berge und Thäler der Sierra caliente1)
Zu unserer angenehmen Überraschung blieben wir wahrend des
Steigens und auf dem Gipfel gänzlich verschont von allen den üblen
Wirkungen, welche man der dünnen Luft zuzuschreiben pflegt; weder
Schwindel noch Brechreiz, Atembeschwerden, Flimmern der Augen oder
Blutandrang nach dem Kopfe stellte sich ein. Erst beim Abstieg, der um
10 Uhr begann, machte sich eine vorübergehende Übelkeit und dumpfer
Kopfschmerz bemerkbar. Die einzige körperliche Erscheinung, welche uns
hier auf den Schneefeldern in höherem Grade entgegentrat, als ich sie in
den Alpen empfunden habe, war die Unfähigkeit, eine Entfernung auch
nur annähernd genau zu schätzen; während nnsers letzten kurzen Haltes
vor Erreichung der Spitze glaubten wir noch mindestens zwanzig Minuten
Steigung vor uns zu haben, während der Gipfel in Wirklichkeit nur
durch ein 16 Meter breites, mäßig geneigtes Schneefeld von uns ge-
trennt war.
Auf dem Rückwege wurde am Rande des Kraters ein Frühstück
eingenommen; ein Hinabsteigen in die Tiefe unterblieb jedoch wegen ein-
tretenden Nebels und wegen der fehr lästigen Schwefeldämpfe. Zudem
hatten wir die schauerliche Großartigkeit des Schlundes von oben her
sattsam bewundern können. Schwierig ist der Abstieg in den Krater übrigens *
nicht, da behufs der Schwefelbeförderung ein leidlicher Zickzackpfad angelegt
ist. Sobald die Indianer auf diesem die Ausbeute von den Solfataren
erst bis zum Rande hinausgeschleppt haben, ist ihre Hauptarbeit gethan;
denn den Bergabhang hinunter bis zur Grenze des Schnees sahren sie
mit ihren eentnerschweren, in Strohgeflecht verschnürten Schwefelpacken
in einer bequemen und gäuzlich gefahrlosen Schneeschurre. Auch wir
sausten in dieser, ein jeder hinter seinem Führer aus einer Strohmatte sitzend,
mit Windeseile dem Thale zu; etwa 800 Meter senkrechter Höhe wurden
in wenig über eine Viertelstunde zurückgelegt. In einer ferneren Stunde
war der Rancho wieder erreicht.
1) Das warme Land, diejenigen Länderstrecken, welche sich längs der Küsten
hinziehen und wegen ihrer wärmeren Temperatur den Anbau von Baumwolle, Zucker-
rohr u. dgl. gestatten.