1887 -
Münster i.W.
: Schöningh
- Autor: Treuge, Julius, Hellinghaus, Otto
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
390 Asien,
bellen uns zwar nicht unhöflich, wollten uns jedoch keine Eier tier-
kaufen; alles, was wir zu ganz ungewöhnlich hohen Preisen erhielten,
waren Hühner, Reis und etwas Salz. Während der ganzen Zeit
regnete es in Strömen, wodurch uns der Aufenthalt noch lang-
weiliger gemacht wurde, da wir vollständig ohne Beschäftigung, ohne
Lektüre und fast ohne Lebensmittel waren. Hier erfuhr ich, was ich vorher
noch nicht gewußt hatte, au mir selbst, daß nämlich ein Europäer, der
längere Zeit nur von Reis lebt, denselben erst fade und schließlich so
unangenehm schmeckend findet, daß er sich kaum dazu zwingen kann, ihn
zu essen, selbst wenn er halb verhungert ist. Wir besaßen weder Curry-
Pulver'), noch sonstige Würze, womit wir den Reis hätten schmackhaft
machen können. Ich werde nie vergessen, mit welchem Appetit wir ein
Gericht gepfeffertes Gemüse verzehrten, welches die Frau des Häuptlings
nach dessen Rückkehr uns bereitete.
Die Dörfer der Kachyen liegen stets in der Nähe eines Bergstromes.
An den nahen Abhängen bauen die Eingeborenen Reis und Mais auf
terrassenförmig angelegten Feldern, während man in der Nähe der Woh-
nnngen zuweilen mit Mohn und Indigo bepflanzte Fleckchen findet. Die
Kachyen verschaffen sich alljährlich neue Lichtungen, indem sie die Bäume
an den Bergen fällen und verbrennen.
Eine charakteristische Eigentümlichkeit der Wohnungen bilden die
Schädel von Büffeln und Schweinen, welche an die Vorderpfosten der
Häuser geuagelt siud. Die Vorhalle dient bei Tage den Frauen, welche
dort Reis schälen oder Kinder warten, und den faulenzenden Männern,
bei Nacht den Haustieren zum Aufenthalt. Ein junges Kachyenmädchen
überraschte uns in Maykong mit Gesang, womit sie ihre Arbeit, Reis-
stampfen, begleitete; ich kann denselben aber nur als ein musikalisches
Grunzen bezeichnen.
Spät nachmittags traf der Häuptling zur großen Freude seines
Haushaltes und zu noch größerer Befriedigung unserer Gesellschaft von
Long-tschuan, wohin er sich wegen eiues Reisgeschäftes begeben
hatte, in Maykong wieder ein. Wie die meisten Häuptlinge war auch
er zeitweilig Händler, der sein Einkommen zum Teil aus den von
passierenden Reisenden erpreßten Abgaben, zum Teil aus dem jährlichen
Tribut eines Korbes Reis bezog, den jedes von ihm beschützte Haus zu
bezahlen hatte. Bei diesen Bergstämmen scheint es also in mancher Be-
ziehuug ähnlich herzugehen, wie in alten Zeiten bei den Clans2) in den
schottischen Hochlanden. Wir hatten lange Unterredungen mit dem Häupt-
1) Ein scharfes indisches Gewürz aus Pfeffer, Ingwer, Muskatblüten :c.
2) Gauverbände, deren Mitglieder sich als eine Familie betrachtete:: und von
einem Ältesten in patriarchalischer Weise regiert wurden. (Wurden 1745 aufgehoben.)