1887 -
Münster i.W.
: Schöningh
- Autor: Treuge, Julius, Hellinghaus, Otto
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Asien.
18.
Die arabische Wüste.
W. Palgrave.
I. Die Nefud.
Wir hatten von Beduinen und anderen schon so viel von den
Nefud (sandigen Wüstenstrichen) gehört, daß wir auf Schreckliches gefaßt
waren; die Wirklichkeit aber, namentlich in diesen Hundstagen, ließ alles,
was uns erzählt worden, und was wir uns vorgestellt hatten, weit hinter
sich zurück.
Wir sollten jetzt ein ungeheures Meer von lockerem, rötlichem Sande
durchschneiden, der zu ungeheuren, für das Auge unbegrenzten Bergreihen
aufgehäuft ist, die einander parallel von Norden nach Süden lausen, ein
wellenförmiger Hügel hinter dem andern, jeder im Durchschnitt 80—100
Meter hoch, mit schiefen Seiten und abgerundeten Gipfeln und iu allen
Richtungen von den nnstäten Windstößen der Wüste durchfurcht. In
den Tiefen zwischen diesen Hügeln erscheint sich der Reisende wie in einer
tiefen Sandgrube eingekerkert und von allen Seiten von brennenden
Mauern umschlossen, während er wieder, wenn er den Abhang erklimmt,
scheinbar ein weites Feuermeer überblickt, das unter einem starken Mon-
sun1) anschwillt und durch Wiudstöße, die von der Seite kommen, in
kleine, rotglühende Wellen geteilt ist. Kein Schatten, keine Ruhe sür
das Auge oder die Glieder in den Strömen von Licht und Hitze, die
sich von oben auf eiue von unten blendend strahlende Fläche ergießen.
Dazu den ganzen langen Sommertag ein mühsames Wateu durch
lockeren, brennenden Sand, aus verschmachtenden, halb betäubten Tieren,
mit wenigem, oft unterbrochenem Schlaf, bei Nacht und bei Tage keine
Ruhe; deuu nirgends ist Schatten — wenig zu essen und weuig zu trinken—,
das lauwarme, trübe gefärbte Wasser in den Schläuchen nimmt schnell
ab, mehr noch durch Verdunstung als durch Verbrauch; die über dem
Scheitel stehende Sonne versengt Kleider, Gepäck, Satteldecken, so daß
alles wie verbrannt riecht und vor Hitze kaum anzurühren ist. „Wäre
dies ewig, so wäre hier die Hölle", sagte ich zu meinem Reisegefährten,
der, auf seinem Kamele verschmachtend, keine Antwort gab. Auch die
lärmende Munterkeit der Beduinen war bald zu Ende, die jetzt zerstreut,
der eine vorn, der andere hinten, ihres Weges in tiefem Schweigen
1) Periodischer Wind, macht sich im nördl. Indischen Oeean während dersom-
merhälste als Südwest, während der Winterhälfte als Nordostwind geltend.