1887 -
Münster i.W.
: Schöningh
- Autor: Treuge, Julius, Hellinghaus, Otto
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Ruith: Besteigung des Sneehätta. 585
einem weiten Schuttfeld, unsere Pferde nebst einem der Führer an einer
Art Steinhütte zurücklassend. Ein kalter See ruhte schweigend in einer
mäßigen Vertiefung zwischen Schneefeldern und grauem Gestein eiuge-
bettet. Verwitterte, mit Moos überzogene Renntiergeweihe lagen umher.
Vor dem Sneehätta aber türmte sich noch eine dunkle Felsmasse empor,
ein kolossaler Trümmerhaufen, über dessen wankende Stufen wir auf-
wärts klettern mußten, um die beschneite Flanke des Berges selbst zu
erreichen. Tausend Funken flimmerten auf der harten Schneedecke seines
obersten Abhanges, dann aber brach die Sonne hervor — es war zwei
Uhr morgens, da standen wir auf dem Gipfel.
Das Rundbild von diefer Hochwarte des Dovre ist groß und schön.
Die bedeutenderen Vergreihen liegen aber entfernter, die packende Wirkung
des auf dem Galdhöpig in so plötzlicher Nähe auftauchenden Gipfel-
chaos fehlt hier. Die nächste Umgebung des Sneehätta ist jedoch von
eigenartigem Interesse. Eine halbmondförmige Vertiefung zu unseren
Füßen, die nach der Südostseite offen ist, bedeutete uns, daß hier hinab
ein Teil des Gipfels eingestürzt ist. Schneemassen füllen diesen Kessel
wie am Galdhöpig, ein kleiner Gletscher von unmerklicher Neigung ragt
daraus hervor, einen Eissee nährend, dem eine Stufe tiefer ein zweiter
folgt. Überhaupt zeigen sich hier im Gegensatz zu der scheinbar Wasser-
losen Feldwüste, die den Galdhöpig umkreist, eine Menge kleiner Seespiegel,
die meisten freilich mit einer Eisdecke überzogen. Schwarzbraune Massen,
wie erstarrte Schlammwellen, der Lava am Vesuv nicht unähnlich,
umlagerten dieselben, auch die Schneefelder erschienen hier teilweis
schmutzig. Das leichter verwitternde Gestein des Sneehätta, Glimmerschiefer,
das übrigens auch von mächtigen Quarzadern durchzogen wird, mag
diese Erscheinungen erklären.
Gegen Nw. streckt sich eine groteske Schneezackenreihe hin. Das sind
die Berge, welche die wildschöne Umgebung des Romsdalsfjord bilden,
während nach Osten hin alles in blaue Wellenlinien verläuft. Wendet
man jedoch auf dieser Seite den Blick etwas südwärts, so begegnen ihm
in imposanter Reihe die schneebedeckten Pyramiden der Rundane, die sich
bis zu einer Meereshöhe von mehr als 2000 Meter über dem einsamen
Plateau erheben.
Auf dem Rückweg hatten wir bei steigender Tageshitze nochmals
die volle Empstuduug einer melancholischen Wüstenei. Kein Baum weit
und breit im endlosen Graubraun der Moosfläche. Auch von der Tier-
welt gewahrten wir keine Spur. Nur dann und wann ließ sich in der
allgemeinen Stille ein kurzer, pfeifender Ton vernehmen, vielleicht die
Stimme des hier heimischen Regenpfeifers (Eudromias Morinellus).
Der Sneehätta aber, im Glänze des Tageslichtes viel größer und
höher erscheinend, bot uns beim Scheiden noch ein majestätisches Bild.