1886 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Lincke, G. A., Ohlert, Bernhard, Klöden, Gustav Adolph von, Ernst, L., Biernatzki, Johannes, Köppen, Fedor von, Blasendorff, Carl
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Aufhebung der Leibeigenschaft. 197
und durch den Erbvergleich einige Beschränkungen des Bauernlegens einführte.
Auch die Herzöge Friedrich und Friedrich Franz I. gewährten den Bauern im
Domanium einige Erleichterungen, indem sie, statt die persönlichen Dienste in
Anspruch zu nehmen, sich eine Pacht von ihnen zahlen ließen. Im Ritter-
schaftlichen aber blieb mit verschwindenden Ausnahmen bis in den Anfang des
19. Jahrhunderts ihre Lage wahrhaft trostlos. Nachdem sich jedoch seit den
von dem Freiherrn von Stein im benachbarten Preußen eingeführten Reformen
der Agrarverhältnisse mehr und mehr Stimmen zu guusteu der Aufhebung
der Leibeigenschaft in Mecklenburg vernehmen ließen und der Erblandmarschall
Ferdinand von Maltzan zu Penzlin 1816 in seinen Dominien mit der Auf-
Hebung derselben vorangegangen war, wurde dieselbe auf dem Landtage von
1818 zum allgemeinen Beschluß erhoben, und das betreffende am 18. Januar
1820 promulgierte Gesetz trat mit Ostern 1821 in Kraft.
Mit dem Geschenk der persönlichen Freiheit wußten nun aber viele der
also Beschenkten nichts anzufangen, da ihnen nicht auch zugleich frei stand, sich
nach Belieben irgendwo häuslich niederzulassen, und so entstand ein großes
Übel, das noch bis auf die neueste Zeit empfunden ward. Nach der meckien-
burgischen Heimatsgesetzgebung gehörte jeder Mecklenburger in heimatlicher
Beziehung nicht dem ganzen Lande an, sondern nur seinem Geburtsorte oder
dem Orte, wo ihm später das Niederlassungsrecht gewährt war, das auf dem
Lande von der Willkür der Gutsherrschaft, refp. der Beamten des Domaniums
abhing. Das in einem Orte verliehene Niederlassungsrecht hebt aber das mit
der Geburt erlangte Heimatsrecht auf. Durch diese Bestimmungen war allen
Mecklenburgern die Niederlassung und die davon abhängige Erlaubnis zum
Heiraten sehr erschwert. Die üble Folge dieser Einrichtungen war nicht bloß
die Übervölkerung des 1817 gestifteten Landarbeitshauses mit heimatlosen
Leuten, sondern die massenhafte Auswanderung solcher, die noch die Mittel
dazu und zur Ausässigmachung in Amerika besaßen, nach diesem Lande, während
zugleich Tausende sich in den benachbarten Ländern, besonders in Preußen
niederließen. Dieser starke Abfluß der mecklenburgischen ländlichen Bevölkerung
erklärt es, daß Mecklenburg nicht nur das verhältnismäßig am schwächsten be-
völkerte aller deutschen Länder ist, sondern daß es selbst Rückschritte in seiner
Einwohnerzahl erlebt hat.
Eine notwendige Maßregel zur Verbesserung der Lage des Bauernstandes
infolge seiner persönlichen Freilassung war die Separation der Bauernhufen,
die jetzt überall durchgeführt ist und durch welche den einzelnen eine zweck-
mäßigere und einträglichere Bewirtschaftung des Ackers möglich geworden ist.
Außer im ratzeburgischen hat sie sich am günstigsten im schwerinschen Doma-
nium erwiesen, wo eine große Anzahl der Bauern in Erbpachtbanern um-
gewandelt wurde, denen Hufe, Gehöft und Hofwehr als Eigentum gehören,
wofür sie jährlich eine gewisse Geldsumme, Kanon genannt, bezahlen müssen.
Die übrigen Domanialbaueru oder sogenannten Hauswirte blieben vorerst noch
Zeitpachtbauern, die je nach der Größe ihres Ackerwesens in Vollhüsner, Halb-
hüfner, Drittelhüfner u. s. w. zerfielen; und um auch den weniger bemittelten
Leuten die Niederlassung zu erleichtern, wurden im Domanium zahlreiche Büd-
nerstellen mit kleinem Ackerwerk und Häuslerstellen ohne Acker errichtet. Ähnlich
war das Verfahren in Mecklenburg-Strelitz, obwohl es in dieser Hinsicht hinter