1886 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Lincke, G. A., Ohlert, Bernhard, Klöden, Gustav Adolph von, Ernst, L., Biernatzki, Johannes, Köppen, Fedor von, Blasendorff, Carl
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
336 Land und Volk der alten Pruzzen.
die Vornehmeren, schonend behandelt, sie im Besitz ihres Grundeigentums be-
lassen, treue Dienste durch besondere Verleihungen belohnt, einzelne Edle nach
Deutschland geschickt und in Klosterschulen erziehen lassen; aber die Masse des
Volkes empfand doch die mancherlei Abgaben und Frondienste, zu denen sie
gezwungen wurden, als höchst drückend, und fast alle konnten den Verlust ihrer
Freiheit und ihres alten Glaubens nicht verschmerzen. Als daher am 13. Juli
1260 der livländische Landmeister, dem sich der Ordensmarschall Heinrich Botel
mit dem Zuzug von Deutschen und Preußen angeschlossen hatte, von den
Litauern bei Durben eine surchtbare Niederlage erlitten, in welcher beide
Führer und „anderthalbhundert Ritterbrüder" erschlagen wurden, erregte die
Nachricht davon unter den unterworfenen Preußen eine furchtbare Gärung,
welche durch die unkluge Grausamkeit eines Ordensbeamten des Vogts der
Lenzenburg, Volrad Wunderlich, der viele Landesedle, die er zu sich eingeladen,
unter der wahren oder falschen Beschuldigung, daß einer von ihnen ihm ver-
räterisch nach dem Leben getrachtet habe, samt der Burg, nachdem er sie in
dieselbe eingeschlossen, verbrennen ließ, zum Ausbruch kam.
Gegen Ende des Sommers 1260 verschworen sich mit Ausnahme von
Knlmerland und Pomesanien, in denen die deutsche Einwanderung das nationale
Element wohl schon fast völlig erdrückt hatte, die Edelsten der übrigen fünf
Gane Blut und Leben für die Befreiung des Vaterlandes und den alten Glauben
einzusetzen. Für jeden Gau wurde ein Heerführer gewählt, für Samland Glande,
für Natangen Herkus (Henricus) Monte, der in Magdeburg christliche und
ritterliche Erziehung erhalten hatte, für Ermland Glappo, für Pogg-sanien
Auttume, für Barten Diwane mit dem Beinamen Klekine, der Bär. An einem
festgesetzten Tage, den 20. September, brach der Aufstand im ganzen Gebiet
los, alle Christen, die sich nicht in die festen Burgen flüchten konnten, wurden
niedergemacht, das platte Land geplündert und verheert, Kirchen und Kapellen
verbrannt, und namentlich Priester und Mönche, gegen welche sich der grim-
migste Haß der Empörer richtete, grausam gemartert. Es wird berichtet, daß
die Wütenden Priester zwischen Brettern zu Tode quetschten, damit, wie sie
höhnten, ja nichts von ihrem heiligen, kostbaren Blnte vergossen werde. Am
22. Januar 1261 kam es bei Pokarben unweit Balga zu einer Schlacht, in
welcher das Ordensheer eine furchtbare Niederlage erlitt; viele Ordensritter
und vornehme Kreuzfahrer wurden erschlagen oder gefangen. Von den letzteren
sollte einer durchs Los dazu bestimmt werden, den Göttern zum Dank für
den erfochtenen Sieg geopfert zu werden. Das Los traf den Ritter Hirzhals
aus Magdeburg, mit dem Monte bei seinem dortigen Aufenthalte Freundschaft
geschlossen hatte. Um den Freund zu retten, setzte Monte es durch, daß zum
zweiten- und drittenmal der Wille der Götter befragt wurde; als aber auch
zum drittenmal das Los denselben Ausspruch that, hinderte Hirzhals selbst jeden
weiteren, jedenfalls doch vergeblichen Rettungsversuch des Freundes und wurde
zu Pserde mit doppelter Rüstung angethan auf dem Holzstoß verbrannt. Noch
andre Beweise des Edelmutes und des großen Einflusses, dessen Monte bei
seinen Landleuten genoß, werden berichtet. So hielt er einst einen Schwärm
seiner Volksgenossen, die im Begriff waren, ein besonders heilig gehaltenes
Bild der Jungfrau Maria, das in ihre Hände gefallen war, als Zielscheibe zu
benutzen, davon ab und gab es den Christen zurück.