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1. Bilder aus den deutschen Küstenländern der Ostsee - S. 454

1886 - Leipzig : Spamer
454 Königsberg. Ob außer den angeführten verderblichen geistigen Einflüssen noch körperliche Gründe für die wenigstens zeitweise wohl unleugbar vorhandene geistige Um- nachtung des unglücklichen Fürsten, ob namentlich darauf hinzielende Vergiftungs- versuche vorlagen, wird sich kaum entscheiden lassen. Sehr bestimmte Angaben von Zeitgenossen weisen darauf hin und wenigstens muß mit aller Entschieden- heit behauptet werden, daß die herrschsüchtige Clique, in deren Händen er sich befand, alles mögliche dazu that, ihn in diesem Zustande zu erhalten und eine mögliche Heilung zu verhindern. Ein geschickter Arzt, Johann Fortunatns, den Wilhelm Iv. von Kleve, dessen Tochter Marie Eleonore man dem jungen Fürsten, wie schon die Schatten des Wahnsinns sich über seinen Geist zu senken begonnen hatten, ein trauriges Opfer politischer Rücksichten, vermählt hatte, nach Königsberg schickte und der sich mit großer Zuversicht zu seiner Heilung anheischig machte, wurde sechs Wochen lang, da man sich von seiner Recht- gläubigkeit doch nicht überzeugt hätte und nicht sicher wäre, ob die versprochene Heilung auch mit der Hilfe Gottes unternommen werden und nicht ein Werk des Teufels fein würde, gar nicht zu dem Fürsten gelassen, bis endlich das An- dringen der Fürstin und der Bürgerschaft von Königsberg seine Zulassung er- zwang. Der Erfolg der Kur war überraschend günstig, der junge Fürst er- wachte wieder zur Teilnahme an den Freuden und Interessen des Lebens und fand Behagen an Lustritten und dem ritterlichen Spiel des Ringstechens. Aber nur um fo wütender eiferten die auf diesen Erfolg neidischen Königsberger Ärzte, die Prediger, die Regimentsräte gegen ihn. Erstere bewiesen in einem gelehrten Klagelibell, daß Fortunatus ein unwissender Landläufer ohne Kenntnis der Kraft der Medikamente sei, der nur mit Hilse des Teufels den Fürsten ge- sund machen wolle, die Prediger wiesen ihm ketzerische Meinungen nach, und die Regimentsräte verfehlten nicht, trotz des Widerspruchs des klevischen Gesandten, den gefährlichen Mann zu verbannen, natürlich mit dem gewünschten Erfolg; der Herzog, nicht stark genug, die ihn einschnürenden Bande zu zerreißen und sie doch aufs schmerzlichste empfindend, sank in den alten Zustand stumpfer Schwermut zurück, in dem er verblieb, bis ihn der Tod erlöste. Inzwischen ging die intolerante Pfaffenwirtschaft in Zänkereien und Ver- ketzerungen ihren Gang und es kann uns bei der Betrachtung dieses uuerquick- liehen Schauspiels nur in geringem Maße zur Befriedigung gereichen, daß gerade einer der unduldsamsten und stolzesten dieser sich unfehlbar dünkenden lutherischen Päpstlein, Heshnsins, der unerbittliche Glaubensrichter, selbst dem Vorwurf der Irrlehre erlag und, da er nicht widerrufen wollte, gestürzt und aus dem Lande verbannt wurde. Die Sache ist so charakteristisch für die in damaliger Zeit in religiöser Beziehung herrschende verkehrte Geistesrichtung, daß wir etwas dabei verweilen müssen. Heshusius hatte in einem zur Be- kämpfung der Ealvinisten geschriebenen Buche gesagt: „man dürfe nicht bloß in concreto sagen, der Mensch Christus sei allmächtig, allwissend und anzu- beten; sondern auch in abstracto sei es wahr, daß die menschliche Natur Christi allwissend, allmächtig und anbetenswert sei." Darüber höchste sittliche Entrüstung unter den übrigen Königsberger Kirchenlichrern, Morgenstern, Hofprediger Wedemann, Mörlin und andern, die den zweiten Teil der Behauptung für irrig und ketzerisch erklärten. Nun heftiger Krieg, der nicht bloß in giftigen gelehrten Streitschriften, sondern von den Kanzeln herab mit um so größerer Erbitterung
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