1886 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Lincke, G. A., Ohlert, Bernhard, Klöden, Gustav Adolph von, Ernst, L., Biernatzki, Johannes, Köppen, Fedor von, Blasendorff, Carl
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Der Große Kurfürst und die ostpreußiscken Stände. 457
Landes vom polnischen Lehnsjoch nur eine dringende Gefahr für ihre stän-
dischen Gerechtsame und Privilegien. Sie erklärten geradezu die Feststellungen
jener Verträge für ungültig, da das Lehnsverhältnis zu Polen auf gegenseitiger
freiwilliger Abmachung beruhe und ohne ihre Einwilligung nicht einseitig habe
gelöst werden können. Dem Verlangen des Kurfürsten, ihm als souveränen
Fürsten zu huldigen, das derselbe schon nach dem Labianer Vertrag gestellt
hatte, hatten sie entschiedenen Widerspruch entgegengesetzt, und Friedrich Wilhelm
hatte damals, um bei der noch sehr schwierigen politischen Lage die Sache nicht
auf die Spitze zu treiben, davon Abstand genommen. Die zum Teil gewaltsame
Eintreibung der Steuern, welche die Erhaltung des Heeres notwendig machte
und die bei dem durch deu langen Krieg höchst erschöpften Zustande des Landes
allerdings drückend waren, erbitterten die Gemüter noch mehr. Über 200 Edel-
leute traten am 11. Februar 1661 in Königsberg zusammen, um über Maß-
regeln zur Ausrechterhaltuug ihrer Privilegien zu beraten, und ebenso erklärten
die Bürger Königsbergs, daß sie Abgesandte nach Warschau schicken würden,
um den Schutz des Königs in Polen anzurufen. Unter der Adelspartei treten
als besonders heftige Gegner des Kurfürsten die Gebrüder Kalkstein, besonders
der ehemalige Amtshauptmann von Oletzko Christian Ludwig von Kalkstein
hervor, der wegen grober Unordnungen und Mißhandlung der Untergebenen
seines Amtes entsetzt war. Die Seele der Opposition der Städte war der
Schöppenmeister von Königsberg Hieronymus Rhode. Beide unterhielten mit
dem polnischen Hofe in Warschau dauernde Verbindung, letzterer namentlich
durch seinen gleichgesinnten Sohn.
Um das Verhalten der opponierenden Stände richtig zu beurteilen, müssen
wir uns gegenwärtig halten, daß dieselben allerdings formell im Recht waren,
daß der Große Kurfürst wirklich ihre Gerechtsame mehrfach verletzt hatte und
daß ihre Besorgnisse vor noch weiteren Eingriffen desselben in ihre Sonder-
rechte nicht unbegründet waren. Die Überzeugung, welche wir, durch den
Gang der geschichtlichen Entwickelung belehrt, jetzt haben, daß für die damalige
und noch eine lange Folgezeit die absolute Herrschaft eines einsichtsvollen und
gewissenhaften Fürsten, unbeschränkt durch die Einreden privilegierter, nur ihre
Souderinteresfen im Auge habender Stände, für das Wohl des Landes am
zuträglichsten war, konnte von ihnen unmöglich verlangt werden. Wie kurz-
sichtig und beschränkt aber die Stände in ihrer Opposition waren, sieht man
daraus, daß neben den Klagen über die ihnen zugemuteten Steuern und Leistungen
ihre Hauptbeschwerde darin bestand, daß Juden und Reformierten der Aufent-
halt im Staate gestattet würde, wodurch der reine lutherische Glaube gefährdet
werde (man bedenke, daß das Herrscherhaus selbst der reformierten Konfession
angehörte), daß sie in jenen kriegerischen Zeiten die Abdankung der Miliz und
fast völlige Auflösung des Heeres verlangten, daß sie endlich geradezu in landes-
verräterischer Weise den König und den Reichstag von Polen zum Schutze ihrer
Privilegien anriefen.
Es würde zu weitläufig sein, den Verlauf des Streites im einzelnen zu
schildern. Friedrich Wilhelm verfuhr in dieser schwierigen Lage mit Mäßigung,
Festigkeit und Klugheit. Er wußte Adel und Städte, die, sonst oft sich bekämpfend,
im Widerstand gegen ihn einmütig waren, dadurch zu trennen, daß er den Adel
beschwichtigte, indem er von der verlangten Hufensteuer, die diesem besonders