1886 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Lincke, G. A., Ohlert, Bernhard, Klöden, Gustav Adolph von, Ernst, L., Biernatzki, Johannes, Köppen, Fedor von, Blasendorff, Carl
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Das Samland. Königsberger Sommervergnügen. 479
Jüngling durch die Pforte, schon umfaßt sein Arm die Jungfrau, da erbraust
plötzlich eine wütende Windsbraut, Blitze zucken und zusammenstürzen die Mauern
des Heiligtums und begraben die Frevler unter ihren Trümmern. Die heilige
Flamme aber war auf ewig erloschen. Seitdem hört man oft auf dem Gipfel
des Berges um Mitternacht ein wirres Waffengetöse, bis auf einmal ein Flammen-
schein aus dem Boden hervorbricht und das Toben verstummt.
Im Jahre 1264 sollen die Ritter hier eine Burg gegründet haben, aber
auch von ihr find nur Reste der Burgwälle und Gräben erhalten. Das auf
dem Gipfel befindliche Denkmal, ein kolossales eisernes Kreuz, das auf der
Vorderseite die Inschrift „Mit Gott für König und Vaterland!" und auf der
Rückseite die großen Namen Scharnhorst, Jork, Gneisenau und die Tage der
ruhmvollen Schlachten und der beiden Pariser Friedensschlüsse trägt, wurde
auf Anregung des Kriegsrats Scheffner, eines Schülers von Kant, und bei der
ruhmvollen Erhebung der Provinz nach Jorks großer That von Tauroggen in
erster Linie thätigen Vaterlandsfreundes, errichtet. Am 18. Oktober 1318
loderten hier unter Beteiligung der ganzen Königsberger Studentenschaft und
Kämpfer der Freiheitskriege zur Feier des Gedenktages der Leipziger Völker-
schlacht unter der Begleitung patriotischer Reden und Gesänge die Flammen
auf, weithin ins Land sichtbar. Seitdem ist jährlich, bis zum Jahre 1846,
aber der für unser Klima passendere Tag der Schlacht bei Belle-Allianee, der
18. Juni, von den Studenten der Albertina in ähnlicher Weise festlich begangen
worden. Dem Kriegsrat Scheffner ist in der Nähe des Denkmals unter einer
Gruppe von Birken, die ihre lang herabhängenden, fchmeidigen Zweige darauf
niedersenken, der Grabhügel gehäuft, mit einer sinnigen Inschrift auf schlichter
Holztafel bezeichnet.
Vom Galtgarben aus schlagen wir uns in westlicher Richtung durch das
Land, manchmal bei freundlichen Dörfern und Landgütern vorbei, aber auch
über öde, nur mit Heidekraut, Wachholder und niederem Birkengebüsch bewachsene
Heiden, hier Palweu genannt, nach dem Hausenberge, der dem Galtgarben nur
wenig an Höhe nachsteht. Er war früher abgeholzt, doch ist der junge Auf-
schlag wieder kräftig emporgewachsen und der Gipfel ist mit einigen mächtigen
Eichen gekrönt. Man sieht rechts an seinem Fuße das große Dorf Germau,
dessen stattliche Kirche eine herrliche Orgel, das Werk des berühmtesten Orgel-
baners der Provinz, Obnch, besitzt. Man zeigt hier eine Trompete, die ein
schwedischer Trompeter, nachdem er bei einem sehr strengen Winter von der
schwedischen Küste auf einer Eisscholle durch einen heftigen und andauernden
Nordwind über die Ostsee bis zu der fernen Küste getrieben worden, zum An-
denken an seine wunderbare Rettung hierher gestiftet haben soll. Man über-
sieht vom Hausenberge sehr deutlich die ganze Westküste von Samland von
Pillau bis zu dem an der Nordwestecke gelegenen Leuchtturm von Brüsterort.
Wir begnügen uns mit diesem allgemeinen Überblick derselben, da sie
nicht viel besonders Interessantes darbietet, und erwähnen nur Teukitten, am
Grunde der südwestlichen vorspringenden Halbinsel gelegen, wo an einer Stelle,
von der aus man Haff und See zugleich überblicken kann, die zum Andenken
an den Märtyrertod des heiligen Adalbert im Jahre 997 erbaute Kapelle
stand, nach deren Verfall die polnische Gräfin Wielopolska im Jahre 1831 hier
ein gußeisernes Kreuz errichten ließ.