1880 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Hocker, Nikolaus, Köppen, Fedor von, Finger, Friedrich August, Albrecht, Längin, J., Buttgers, J., Mehlis, Christian, Klöden, Gustav Adolf von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Die alte Handelsstraße nach Italien. 25
ertönte nicht blos der gemessene Schritt der römischen Legionen, sondern neben
dem Kolonisten und Pächter brachte der Händler und Kaufmann seine
Maaren zu Markte. Massenhast müssen bald nach der Eroberung Rhätiens
und der Donaugreuze die Erzeugnisse italischer Fabrikarbeit nach Süd-
deutschend geströmt sein; daher der plötzliche Reichthum an Fibeln, Ringen,
und sonstigen Schmucksachen und Kleingeräthen, die von ganz überein-
stimmenden Formen in den Gräbern der Ostschweiz und Süddeutschlands
sich sinden.
Die Bodenkultur wurde, da die Römer auch hierin Meister waren,
erst jetzt schwunghast und rationell betrieben. Wie Plinius berichtet, wurde
zu seiner Zeit gerade in Rhätien der Pflug mit Rädern erfunden, und
mußte diese Erfindung der Landwirtschaft und Bebauung des Bodens
wesentlich Vorschub leisten. Die Römer, und nicht das erträumte
Kulturvolk der Kelten, zu denen übrigens die alten Vindelicier nicht ein-
mal gehörten, sind es gewesen, welche an den sonnigen Bergabhängen des
Oberrheinthals Weinberge anlegten und die Weinkultur in einem fast fünf-
hundertjährigen Besitz des Landes immer weiter an den Bodensee und die
Mitte des Landes verpflanzten.
Aus die Römer folgten die Alemannen. Schon Constantius Chlorus
kämpft gegen sie. Dann prallen hier ein Jahrhundert später in wilden
Stürmen Völker aus allen Richtungen gegen einander: Alemannen, Sneven,
Vindelicier, Frauken. Unter Chlodwig und feinen Nachfolgern bricht sich
neben Gesetz und Ordnung auch das Christeuthum Bahn. Es erheben sich
auf den Trümmern der alten römischen und rhätischen Städte Wohnungen,
Klöster und Pflanzschulen des neuen Glaubens. Die Mönche schämen sich
der Feldarbeit und anderer Geschäfte nicht; sie pflanzen und pflegen Obst-
bäume, treiben selbst ihre Viehherden aus, spanneu die Segel und zwingen
den stürmischen See.
Ueber den Klöstern baut mau allmählich Paläste und Burgen an
schönen, frei und hoch gelegenen Punkten, und in viele Wohnungen hoher,
tapferer Herren zieht Gesittung und Kultur ein und verbreitet sich unter
den Karolingern in immer größeren Kreisen. Das edle Gewächs, das mit
seinen Ranken jetzt fast den ganzen See umschließt, wird heimisch an seinen
Ufern. Höfe, Weiler, Dörfer entstehen, deren Namen noch nachklingen in
den jetzigen Ortschaften. In der Zeit des stansischen Kaiserhauses sind die
Ufer des Bodensees ein Garten der Ritterehre und des Sängerruhms.
Auf die Helden- und Dichterglorie der Hohenstaufen folgt dann eine ruhigere
und prosaischere Zeit unter Rudolf von Habsburg und seinem Sohne, und
im 14. Jahrhundert der Kampf und der Sieg des Bürgerthums, deffeu
Innungen und Zünfte allmählich erstarkt waren» Die Geschlechter, die seit
Jahrhunderten an beiden Ufern des Bodensees geherrscht, verarmen, und an
ihre Stelle tritt ein reges, selbstbewußtes Bürgerthum. Nun entfaltete sich
ein reges Städteleben und damit zusammenhängend ein neuer, lebhafter
Handelsverkehr au vielen Uferpunkten des Sees: in Konstanz, St. Gallen,
Lindau, Kempten.