1880 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Hocker, Nikolaus, Köppen, Fedor von, Finger, Friedrich August, Albrecht, Längin, J., Buttgers, J., Mehlis, Christian, Klöden, Gustav Adolf von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Der Rhein als Verkehrsstraße. 75
als die sentimentalen Leute, die vor einem Jahrzehnt klagten, es ginge
der deutschen Geschichte wie dem deutschen Rhein, sie verliefe sich im Sande.
Weder die eine noch der andere thnt es: beide rollen in prächtiger Kraft
und in bunter Gestaltuugssülle dem großen Meere zu.
Noch ist aber das Bild unvollständig und würde es bleibeu,
wenn wir nicht von der reichen Zahl der Nebenflüsse den Blick noch ein-
mal zurückwenden auf die große Stromrinne, um sie zu betrachteu, nicht
nach dem Umfang ihres Gebietes, sondern nach ihrer Bedeutung für den
Verkehr der Menschen unter einander. Ein einziges Hinderniß, das bis
jetzt noch nicht bezwungen ist, setzt der Strom selber der Schiffahrt entgegen,
das ist der Rheinfall bei Neuhansen, unweit Schaffhausen. Wir haben den
Ort, an dem der Rhein den Riegel bricht, welchen ihm der Jura entgegen-
setzte, schon an anderer Stelle kennen gelernt. Donnernd wie vor Jahr-
tansenden stürzen heute uoch die Wogen in zweigeteilten Massen thalab.
In der Mitte ragt ein Felsen, den man ohne allzu großes Waguiß im
Nachen erreicht. Die Furchtsameren schauen von den Fenstern und Park-
wegen des Schlößchens Laupen auf die wildschäumende Masse und lassen
sich an dem Wasserstaube genug sein, der auch am heißesten Sommertage
kühlend aufsteigt und in dem die Sonne einen ewigen Regenbogen malt.
Inmitten der zerstörenden Kraft des Wassers hat sich der Mensch mit
seiner sriedlichen Arbeit eingenistet, und von der Stadt Schasfhansen bis
zum eigentlichen Falle reiht sich Fabrik an Fabrik, deren Turbinen die
unermüdliche Kraft des Stromes in Bewegung setzt. Dem Schiffsverkehr
aber, der zwischen Konstanz und Schaffhanscn bereits begonnen, ist der Fall
ein unübersteigliches Hinderniß mit den 17 Metern seiner Höhe bei gewöhn-
lichem, 18 m bei höherem Wasserstande. Aber auch darunter machen ihn
die Stromschnellen zwischen Zurzach, Laufenburg und Rheinfelden, wenn-
schon sie für deu Nachen passirbar sind, untauglich für reichere Schiffahrt;
und noch bis Mannheim sind die Masse des Kieses, die Veränderlichkeit
der Strombahn, die Wildheit des Gefälles eben so viele Hindernisse für
den ausgebreiteten Verkehr. Der Holzverkehr aus der Schweiz geht nur
bis Hüningen und lenkt dort über die Kanäle der elsässischen Seite. Von
Basel bis Mannheim dominirt wesentlich der Fischer, nicht der Schiffer,
auf dem Rhein und findet reiche Ernte unter den Salmoniden, die den
Strom bevölkern und die vou der Fischzuchtanstalt in Hüningen aus immer
ergänzt werdeu. Erst von Mannheim ab entwickelt sich ein reicher Handel
aus dem Rhein, der hier die große Straße für Dampfer, Segelschiffe,
Flöße aller Art wird. Für die Ausdehnung dieses Handels mag die An-
gäbe ein Beweis sein, daß allein im Hafen von Mannheim-Ludwigshafen
1877 ein Jahresverkehr von 16,127,605 Ctr. in Zu- und Abfuhr stattfand.
Das ehemals so gefürchtete Bingerloch bei Bingen, das zuerst Karl der
Große für kleine Schiffe fahrbar machen ließ, das aber seit 1834 von der
preußischen Regierung für Schiffe jeder Größe passirbar gemacht worden
ist, das wilde Gefähr bei Bacharach, die Bank von St. Goar und der
kleine Unkelstein bei Unkel können diesem ausgedehnten Verkehr keine