1880 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Hocker, Nikolaus, Köppen, Fedor von, Finger, Friedrich August, Albrecht, Längin, J., Buttgers, J., Mehlis, Christian, Klöden, Gustav Adolf von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
158 Straßburg, die Königin des Oberrheins.
In der Nacht vom 27. auf den 28. September 1681 hatte sich eine
französische Truppenabtheilung durch Ueberrumpelung der alteu Zollschanze
am Rhein bemächtigt, und wer am folgenden Morgen von der Höhe des
Münsterthnrms die Umgegend um Straßburg überblickte, der sah im weiten
Umkreis die französischen Bajonnete blitzen und die französischen Dragoner
ihre Rosse im Rhein tränken.
Wo sind nun die Männer, unter deren Leitung und Rath die Stadt
ehedem so wohlverwahrt war vor Psaffeutrug und welscher Raubsucht, die
Schott und Brand, die Sturm und Zorn? — Wol giebt es auch jetzt im
Rathe noch Männer von deutscher Gesinnung und Vaterlandsliebe, denen
die Zumuthuug des fremden Königs die Zornröthe in die Wangen treibt;
aber es fehlt jener stolze, zuversichtliche Much, der ihre Vorgänger beseelte,
es fehlt das Vertrauen aus die schützenden Schwingen des Reichsaars.
Ein finsterer Geist ist in die alte Reichsstadt eingezogen, seitdem die frommen
Jünger Loyola's drüben in Molsheim ihre Bekehrungsschule begründet haben
(1580), und beschleicht sogar in Gestalt von Einschüchterung und Verlockung
die Gewissen der Rathsherren. Im Buude mit den Jesniten wirkt der
verrätherifche Bischof Egon von Fürstenberg, um die Kiuder seines Bis-
thnms unter die Herrschaft Frankreichs zu führen. Der deutsche Kaiser-
Leopold aber deukt uur darauf, die seinen Erbstaaten durch die Türken
drohende Gefahr abzuwehren, und versäumt darüber die Bewachung der
Westmark des Reichs vor dem weit gefährlicheren Feinde. Boten auf Boten
werden vou Straßburg abgesandt, um auf dem Reichstage zu Regensburg
die Hülfe von Kaiser und Reich anzurufen, aber der französische Truppen-
befehlshaber hat Vorkehrungen getroffen, daß alle Botschaften aufgefangen
werden und in seine Hände gelangen. So bleibt die Stadt in der Stunde
der Roth sich selbst überlassen.
Wo ist nun jeues weltberühmte „Straßburger Geschützt, das mit
„Venedigs Macht und Augsburgs Pracht den Teufel und seine Kunst ver-
lacht?" — Wol rasseln auch jetzt Geschütze durch die Straßen nach den
Stadtwallen, aber es geschieht mehr, um deu Schein zu wahren und der
aufgeregten Stimmung Genüge zu thuu, als weil man ernstlich an Ver-
theidignng denkt, denn man hat ihnen nicht einmal Munition mitgegeben.
Wie soll auch die kaum 800 Mann starke Truppe der Stadtmiliz einen
Widerstand gegen die kriegskundigen Heere wagen, die in der Stärke von
30,000 Mann die Stadt umlagern!
In dieser Bedräuguiß beschließt die Rathsversammlung, eine Abordnung
in das französische Lager zu entsenden und Unterhandlungen mit dem da-
selbst zu Jllkirch, eiue kleine Stnnde von der Stadt, bereits eingetroffenen
Minister des Königs, dem Marquis von Lonvois, anzuknüpfen. Mit be-
klommenem Herzen begeben sich die würdigen Männer nach dem Zelte des
Mannes, dessen Name durch die auf seine Anstiftung in deutschen Landen
verübten Kriegsgreuel und Verwüstungen mit einem unauslöschlichen Brand-
mal befleckt ist. Sie berufeu sich auf die deutsche Geschichte ihrer Vater-
stadt, auf die Friedensschlüsse von Münster und Rimwegeu, durch welche