1880 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Hocker, Nikolaus, Köppen, Fedor von, Finger, Friedrich August, Albrecht, Längin, J., Buttgers, J., Mehlis, Christian, Klöden, Gustav Adolf von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Johann Fischart und das „glückhafte Schiff". 181
mit Schaumünzen oder mit roth und weißen Preisfähnlein belohnt. Mit
der Muskete thut ein geringer Mann aus Schwaben, mit der Armbrust
ein Straßburger Bürger den Meisterschuß.
Der Ruf vom Straßburger Schützenfest lockt, je länger es dauert,
desto mehr Gäste herbei. Aus der Schweiz ist schon bei der Eröffnung
des Schießens eine amtliche Abordnung eingetroffen. Da wandelt noch
eine Anzahl Züricher Bürger die Lust an, dem Feste beizuwohnen; sie be-
schließen, auf eigene Kosten die Fahrt zu rüsten. Einer unter ihnen, Herr
Hans im Wöhrd, erinnert daran, wie schon vor hundert Jahren ihre Alt-
vordern an einem Tage zu Wasser die Fahrt vou Zürich nach Straßburg
gemacht und einen Hirsebrei noch dampfend ans Ziel gebracht, nm den
Straßburgeru zu zeigen, daß die Entfernung sie nicht hindere, ihnen bei
einem Bündniß rechtzeitig Beistand zu bringen. Dieses Beispiel ihrer Vor-
fahren beschließen die Züricher Schützen nachzuahmen. — Heutzutage,
wo uns das Dampfrad im Fluge von einem Orte zum andern trägt,
vergißt man leicht, was vor dreihundert Jahren eine solche Reise aus dem
schwer schiffbaren obern Rhein in so kurzer Zeit, während man gewöhnlich
drei Tage dazu gebrauchte, für Anstrengung kostete. Damals galt sie all-
gemein für ein kühnes Wagestück; sie wurde noch mehr berühmt dnrch die
Dichtung, in welcher ein Straßbnrger Dichter, Johann Fischart (geb. 1530
zu Mainz), dieselbe verherrlicht. Sein Ehrengedicht für die Züricher ist
zugleich ein Loblied, welches der Willenskraft, dem mannhaften Ringen
nach einem bewußten Ziele, dem treuen und einmüthigen Zusammenwirken
der Bürger gilt. Die Festfahrt der Züricher Schützeu wird dadurch zu
eiuem bedeutsamen Beispiel für das ganze deutsche Volk erhoben.
„Wer wird forthin noch können sagen,
Daß Arbeit nicht könnt' All's erjagen!" —
Das ist der durchgehende rothe Faden des Gedichts.
Noch ist die kurze Juniusuacht (20. Juni 1576) nicht vorüber, noch
funkeln die Sterne am Himmel, da besteigen vierundfünfzig fröhliche Bürger,
mit ihuen sechs Spielleute — drei Trompeter, zwei Trommler und ein
Pfeiffer — das am Ufer der Limmat bereitliegende Boot. In der Mitte
des Schiffleins dampft im gewaltigen ehernen Topfe der Hirsebrei, den
ein mit heißem Sande angefülltes Faß vor dem Erkalten schützt. Auch mit
frisch gebackenen Semmelringen haben sich die Reisenden versehen, um sie
unterwegs an verschiedenen Haltepunkten unter die Jugend auszustreuen.
Unter jubelndem „Glückauf!" der Volksmenge an den Ufern und den froh-
lichen Klängen der Musik gleitet das Schifflein den reißenden Bergstrom,
die Limmat, hinab in die Aar. Mit Sonnenaufgang ist der Rhein
erreicht.
„Da freuten sich die Reis'gefährten,
Als sie den Rhein da rauschen hörten,
Und grüßten laut ihn mit Trommeten:
„Nun han wir deiner Hüls' Vonnöthen! —
Du Rhein mit deiner hellen Flut