1880 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Hocker, Nikolaus, Köppen, Fedor von, Finger, Friedrich August, Albrecht, Längin, J., Buttgers, J., Mehlis, Christian, Klöden, Gustav Adolf von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
182 Elsässer Lebensbilder.
Magst unser Wagschifs fördern gut,
Leit' es gen Straßburg, deine Zier,
Strömst du doch gern vorüber ihr,
Weil sie dich freuet und entzückt,
Gleich wie der Stein den Goldring schmückt!" —
Der Rhein aber wand sich traulich um das Schiff, schlug vor Freudeu
aus Gestade und sagte mit rauschender Stimme:
,,So recht, ihr lieben Eidgenossen,
Nur frisch gewagt! Seid unverdrossen,
Wie eure tapfern Vordern waren,
Die das gethan vor hundert Jahren;
Die Arbeit hilft gewiß zum Siege
Und schafft, daß hoch daher man fliege!"
Die Reisenden aber hörten seine Stimme, wie wenn der Wind ins
Segel bläst, oder wie des Mnthes Wehen in ihrer Brust; da zogen sie
kräftig die Ruder an, die sechzehn Rnder mit einem Zug; der Steuer-
manu stand an seinem Pflug und schuitt tiefe Furcheu in den Rhein. Die
liebe Sonne mit ihrem Schein vergoldete die Ufer. Geschwätzig plaudernd
tanzten die Wellen rings um das Schiff, das Gestade warf scherzend die
Wasser zurück. In Laufenburg, wo ueidische Felsblöcke dem Strome deu
Weg zu sperren suchen und der Rhein mit gewaltigem Wogensturz sich
zwischen Felsen eine Gasse bahnt, müssen unsere Schiffer das Boot ver-
lassen und den Hirsebrei in ein anderes hinübertragen, das jenfeit der
Stromschnelle bereit liegt. Unterhalb Säckingen, der Seqnanerstadt, wo
St. Fridolins Kloster ans der Insel steht, fahren sie im „Gewilde" des
Rheins zwischen starrenden Felsklippen an dem dritten Strudel, dem Hölleu-
haken, glücklich vorüber nach Rheinselden. Von hier an nimmt der Fluß
reiner und sanfter den Lauf; er thut es der lieben Stadt Basel zu Liebe,
der er gar wohlgewogen ist wegen der Tapferkeit der Männer an ihrem
Gestade und wegen des Fleißes, mit der sie sein Thalgelände anbauen.
Um zehn Uhr gewahrten sie die Thürme von Basel. Von der dicht be-
setzten Rheinbrücke inmitten der Stadt jauchzt die Volksmeuge deu wag-
haften Gesellen Grnß und Beifall zu. Die unten antworten mit Trom-
metenschall, und das Schifflein schoß unter der Brücke hindurch, „als ob
ein flügger Pfeil vom Bogen oder ein Sperber wär' entflogen". Im An-
gesteht von Breisach ward eine knrze Mittagsrast gemacht, dann ging es
mit frischen Kräften weiter. „Je heißer bräunt' der Sonne Glut, je mehr
entzündet ward ihr Mtfth", so daß die Souue erschrak und schneller ihren
Weg fortsetzte, damit die Schiffer ihr nicht zuvorkommen möchten. Das
spornte wieder diese zu neuer Thatkraft an. Kurz vor Sonnenuntergang
erblickten sie die Pyramide des Straßburger Ministers, und gegen acht
Uhr fuhren sie aus dem Rheinarm in die Jll hinauf. Jetzt ward die
Züricher Flagge, blau und silbern, am Mäste aufgehißt, und unter Jubel
und Trommetentusch läuft das „glückhafte Schiff" auf dem Straßburger
Staden ein. Dort wartet die Menge, Kopf an Kopf gedrängt; ihre Will-
kommensgrnße übertäuben den Trommelwirbel, und schon tummelt sich die