1880 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Hocker, Nikolaus, Köppen, Fedor von, Finger, Friedrich August, Albrecht, Längin, J., Buttgers, J., Mehlis, Christian, Klöden, Gustav Adolf von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
444 Die Herrin der Kurpfalz.
als Bauern auf dem platten Lande gewesen; und wenn auch nicht, wie be-
richtet wird, die ganze Zahl der in der Pfalz noch übrigen Landleute
kaum 200 betrug, so war doch durch Morden, Flüchten, Pest und Hungertod
die Bevölkerung so furchtbar gemindert, daß das lachende Paradies des
pfälzischen Landes einem verödeten Kirchhofe gleichsah."
Wenn nur der zehnte Theil von Dem wahr ist, was von Zeitgenossen
aus jenen Tagen berichtet wird, so ist es mehr als schauerlich.
„Die kalte Kunstfertigkeit, womit Verwandte aus Verwandten Gerichte
zubereiten, das Fleisch ihrer Kinder einsalzen oder ganze Garküchen aus deu
Leichnamen von Ermordeten versehen werden, sind so schauderhaft und ekel-
erregend, daß man sie übergehen muß."
Der West sälische Friede befreite endlich die Pfalz von ihren Drän-
gern; und in das Schloß zu Heidelberg zog der Sohn Friedrich's V., Karl
Ludwig, ein. Mit welchen Gefühlen? Einst hatte er hier, unter seiner
Mutter Hut, in den prachtvollen Gärten, ein glückliches Kind, gespielt;
jetzt kehrte er in ein verheertes Land, zerstörtes Schloß, selbst als ein vom
Schicksale hart geprüfter und herumgeworfener Mann zurück. Er hatte
um den Thron seiner Väter redlich geworben, und es war ihm ein lieber
Gedanke, sein Leben der Wiederherstellung der Pfalz, seines engeren Bater-
landes, zu widmen.
Er fing es geschickt an, indem er Alles wieder in den Stand setzen ließ,
in dem es vor der unseligen Reise seines Vaters nach Prag gewesen war.
Zur Gemahlin hatte er sich eine Prinzessin des in Kampf und Leid seinem
eigenen Hause so eng befreundeten hessischen Hanses ausersehen, die er zwei
Jahre nach seinem Regierungsantritte in sein Laud heimholte, mit der er aber
eine unglückselige Ehe führte, aus welcher die charaktervolle Elisabeth«
Charlotte, Herzogin von Orleans, entsprang. Die Arbeit, die seiner
wartete, war rieseugroß. Die blühenden Städte vor dem Kriege — Franken-
thal hatte 1800 Bürger, Oppenheim 800, Kreuznach 2000 Familien ge-
zählt, waren jetzt arme Nester> 49 vou 50 Bürgeru waren nicht mehr, und
die bleibenden arm und verwildert, — trostlose Zustände! Es galt also, die
alten Staatseinrichtungen wieder einzuführen, den Rest der Bevölkernng
wieder an Zucht und Ordnung zu gewöhnen, dem Wohlstande wieder auf-
zuhelfeu, das Gefühl der Sicherheit zurückzuführen.
Es wurden nun die Steuern so weit verringert, als es die Deckung
der notwendigsten Bedürfnisse ermöglichte; die Beamten wurden streng kon-
trolirt, daß sie keinerlei Bedrücknng und Schädigung sich erlanbten. Er
lud die ausgewanderten Pfälzer ein, sich in der Heimat wieder niederzu-
lassen und bot ihnen so günstige Bedingungen, daß bald die Spnren der
Verwüstung zu schwinden begannen. Und zu den Pfälzern zog er noch aus
anderen Ländern Kolonisten herbei, welche bis aus Holland, der Schweiz, Frank-
reich und England kamen. Nun regten sich fleißige Hände, die Dornen von
den Aeckern und aus den Weinbergen zu entfernen; aus deu lange ver-
ödeten Werkstätten tönte lustig der Hämmer Schlag, und — „sie ist nicht
umzubringen" — das stolze Wort der Pfälzer von ihrem Lande, bewährte sich.