1881 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Steinbach, Josef, Köppen, Fedor von, Finger, Friedrich August, Klöden, Gustav Adolf von, Mehlis, Christian, Hocker, Nikolaus
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
130 Rheinfahrt von Mainz bis Koblenz.
Nach Norden verschwimmt der Blick am Horizonte, da liegt am schimmern-
den Strom die weiße Johanniskirche, Schloß Stolzenfels erscheint als heller
Punkt, und dahinter blauen die Kegelberge der gezackten Eifel. Am linken
User lugen Brey und Rheuse aus dem Blütenwald hervor, auch dort drüben
gewann man im Mittelalter das geschmeidige Silber ans den Thonschieferfelsen,
jetzt formt man dort aus Traß und Kalk die weißen, sogenannten „Sandsteine".
Heber das grüne Hochplateau drübeu, über das der Blick schweift bis zu den
bleichen Moselhöhen, zog die alte Straße, die, von Rhense nach dem Jakobsberger
Hose oberhalb Boppard ziehend, dem Schiffspassagier früher erlaubte, zwischen
Koblenz nach Boppard aus einer Fahrt einen Gang zu machen. Noch immer
kam er eher zum Genuß eines frischen Trunkes nach Boppard, als die von
Pferden geschleppte „Eiljacht" im Hafen einlief. Jetzt geht es freilich rascher,
doch bieten auch die Restaurationen der Dampfer ein gntes Tröpfchen, und
wenn wir jetzt aus der grünen Veranda den sauren Braubacher hinunterschlucken,
so gedenken wir sehnsüchtig der Salons auf den Schnelldampfern, die gleich
dem flüchtigen Reh den Strom hinab und hinauf ihre Kreise ziehen.
Am Koppenstein vorüber und der Wenzelskapelle, wo die deutschen Fürsten
am 20. August 1400 den Zechkönig Wenzel des Thrones entsetzten und den
frischen Pfalzgrafen Ruprecht zum König erwählten, führt die zwischen Strom
und Berg eingeschlossene Straße in Bälde nach Oberlahnstein. Den Gruß
spendet dir hier Lahneck am Stolzenfels, und des schmucken Kindes, das hier
dem Vater Rhein in die Arme stürzt, freuen sich die beiden Burgen, welche der
Kunstsinn unserer Tage nach der Väter Ueberlieferung und in des Mittelalters
Formenzier aus Ruiueu hat auferstehen lassen. Am Rhein und an der Lahn
dehnen sich die Stapelplätze aus für Tauseude von Ladungen an Braun- und
Eisenstein. Pyramiden kernigen Holzes bringt mit dem Gestein das Oberland
der anmuthigen Logaua, und Handel und Wandel haben hier im Kreuzuugs-
punkte der Wasserwege und der Bahnstraßen ihren festen Sitz ausgeschlagen. Mau
sieht hier nicht, wie weiter oben, in die besorgten Gesichter der Winzer, die dem
Herbste unmuthig entgegenblicken.
Die Straßen belebt am dämmernden Abend noch frohes Feiertagsleben.
Hier singt eine frohe Schar von Turnern Lieder von Liebe und Wein in die
weiche Abendluft hinaus, am Eck plaudern gemüthlich von Zeit und Wetter
grauköpfige Alte, und mitten über die Straße ziehen die Mädchen ihre Guir-
landen und spielen mit Kindeslust, wie es die Vorsahren schon vor Jahrtausenden
gethan. Im Kreise hier erzählt ein muskelstarker Füsilier vom Leben in der
Kaserne, und dort treiben muntere Knaben ihren wirbelnden Reif und necken
sich mit Hund und Katze. Wer gedenkt dabei nicht der Verse Gottfried Kinkel s,
deren Wohllaut in „Otto der Schütz" vom Rheine sich also kundgiebt:
„O fröhlich Leben an dem Rhein, Die Wimpel führt das Thal entlang,
Gespeist von Kraft, getränkt von Wein, Wird Liebe jubelnd ihn befahren
Wie grüßest du in Sommerlust Und ew'gen Jngendmnth bewahren!
Unsterblich jung des Dichters Brust! So lang' noch rauschen diese Wälder,
So lang' noch steh'n die Felsenhallen, Und grün noch steh'n die fetten Felder,
Wird rheinischer Gesang erschallen! So lang' sich Trauben röthlich färben,
So lang' der Strom mit stillem Gang Wird nicht dein froh Geschlecht ersterben!"