1881 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Steinbach, Josef, Köppen, Fedor von, Finger, Friedrich August, Klöden, Gustav Adolf von, Mehlis, Christian, Hocker, Nikolaus
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
186 Die Ahr von ihrer Mündung bis zur Quelle.
Eine Viertelstunde oberhalb Ahrweiler liegt das kleine Dörfchen Watporz-
heim, an dessen Felsen die edelste Creszenz des Ahrthales wächst." Darum
auch all der Sang und Klang von Lautenspiel und Dichtermund beim Sankt
Peter im Thale. Das heutige Gasthaus „Zum Sankt Peter" gehörte nebst
den besten Weinbergen dem Domkapitel in Köln. Bei solchen guten Tropfen
konnten die Domherren wol kapitelfest bleiben. In der Laube von Sankt
Peter ist schon mancher unsterbliche Reim entstanden; aber auch jeder Sänger
greift hier unbedenklich in die mehr oder minder rein gestimmten, aber immer
von Wein und Sang begeisterten Saiten.
Gleich oberhalb Walporzheim liegt mit feiner weit vorgestreckten Nase
der Wahrzeichenfels des Ahrthales, die „Bunte Kuh". Woher der Fels diesen
Namen hat, weiß man nicht genau. Nach einer Version habe ein Mädchen für
eine bunte Kuh aus der Felsennase seine Strümpfe gewechselt. Nach einer
andern habe zur Raubritterzeit hier ein Strauchritter aus einen Waarenzug
gelauert, sei aber durch eine bunte Kuh, die eine kleine Schelle trng, daran
verhindert worden, in dem Glauben, daß dort ein Priester einen Kranken besuche.
Diese Kuh hat er in seinem Aerger über den Felsen hinabgestürzt. Nach einer
dritten Sage endlich habe der Fels seinen Namen von den Franzosen bekommen,
die hier die Creseenz des Walporzheimers prüften und ausriefen: Ah! c' est
von de goüt!
Oberhalb der „Bunten Kuh" iu einem Seitenthälchen liegt in einem schönen
Baumkranze die Ruine des Frauenklosters Marienthal. Die älteste Urkunde
darüber reicht bis zum Jahre 1236, wo zu Landskron ein Hausvertrag mit dem
Kloster bestätigt wurde. Der alte Klosterbau wurde uebst den: ganzen Dorfe im
Jahre 1646 unter Türenne niedergebrannt. Von dem reichen Stift wieder
aufgebaut, siel das Kloster der französischen Okkupation anheim, deren Vertreter
es 1811 auf den Abbruch verkauften. Heute liegen feine Trümmer in trauriger
Verlassenheit, und Rankengrün deckt mitleidig die tiefen Wunden, die eine stürm-
volle Zeit den friedlichen Hallen schlug. Der Volksmund will dort noch oft
Nachts den Chorgesang der vertriebenen Nonnen vernehmen.
Und mancher brave Junggesell, Und schlich er dann zum Kloster sacht
Der durch das Thal gekommen, Und schaute in die Hallen,'
Hat wie ein Glöcflein silberhell Dort flötet klagend in die Nacht
Den^Chorgesang vernommen. Ein Chor von Nachtigallen.
Oberhalb Marienthal liegt das alte Dorf Dorn au, welches seinen Namen
von Dörnerau herleitet, da diese schöne Thalebene als Schafweide diente, als
das übrige Thal noch tiefer Wald deckte. Das Dorf hatte einen kleinen Lokal-
adel, dessen Sitze noch theilweise zu sehen sind.
Eine halbe Stunde weiter auf der rechteu Ahrseite liegt das kleine Dorf
Rech, welches bei der großen Ueberschwemmung im Jahre 1804, die eines
Sonntags Nachmittags hereinbrach, fast ganz zerstört wurde. Die Einwohner
flüchteten sich auf die Dächer, vou wo aus auch der alte würdige Pfarrer ihnen
mit dem Allerheiligsten seinen Segen spendete, bis die Wellen plötzlich Hirt und
Herde begruben. Den Leichnam des Pfarrers fand man nach einigen Jahren
unversehrt im Schlamme bei Marienthal. Die Verheeruugeu, welche die Ahr
bei ihrem scharfen Gefälle und plötzlichem Anschwellen in dem engen Thale
anrichtet, sind auch oft in neuester Zeit bedeutend.