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1. Bilder aus den Landschaften des Mittelrheins - S. 320

1881 - Leipzig : Spamer
320 Deutsches Leben im Mittelalter am Rhein. Und ist es bei diesem großartigen Leben, das drei Jahrhunderte lang die Adern des Rheinlandes voll durchströmte; bei dieser Höhe, die alle Seiten des Kulturlebens hier erreichten; bei der Rolle, die in der Politik des Rheines Insassen, Geistliche und Fürsten, Edellente und Bürger ^ spielten; bei diesem steten Kampf ums Dasein, der die Städte auf der Wacht am Rhein erhielt gegen der großen Herren Gelüste, der die Innungen zum steten Streite trieb gegen der Patrizier Alleinregiment; bei dem Aufschwung des Handels, der sich im mächtigen Strome zog vom Bodensee bis an das Deutsche Meer, von Lothringen bis an der Regnitz Ufer; bei den erhabenen Leistungen der Kunst, die den Glorienschein flicht um des Rheinstromes Stirn; bei dem Betrieb der Wissen- schaft und Literatur, der zu Heidelberg und Köln die ersten Hochschulen schuf, der die rheinischen Poeten zu Straßburg und Pforzheim, einen Sebastian Brand und einen Reuchliu, einen Agricola und einen Murner, fingen und lehren, spotten und lächeln ließ; — ist es bei dieser Anspannung aller geistigen und moralischen, sozialen und politischen Kräfte anders denkbar, als daß gerade im Rheinlande der Strom der Kultur zwei Erfindungen auf die Spitze seiner Wellen trug, die im Rheinlande gemacht, dazu bestimmt waren, die Geschicke der Menschheit in neue Bahnen zu lenken, einer neuen Zeit zum Durchbruche zu verhelfen? Beide, gleich bedeutend, waren allein geeignet, der Mitwelt zur materiellen und geistigen Freiheit zu verhelfen; und es war kein Zufall, daß die zerstörende Kraft des Pulvers und die bildungverbreitende Macht der Lettern gerade an des Rheines Ufern zuerst zur energischen Anwendung kam. Solche Erfindungen, deren Werth alsbald erkannt und deren Idee von dem Willen und dem Wissen Tausender unterstützt wird, sind nichts als dierefnltate langer, vorbereitenderthätigkeit, deren Vorstadien meist unbekannt, aber nothwendig und der Sachlage entsprechend sind. Läßt sich auch die eigentliche Erfindung des Schießpulvers nicht für das Rheinland in Anspruch nehmen — schon Chinesen und Araber kennen ähnliche Kompositionen —, so doch die energische Verwerthnng desselben für militärische Zwecke. Das Straßburger Geschütz war im ganzen Mittelalter, wie schon erwähnt, hochberühmt, und wollte der Mönch zu Freiburg auch eine Mischung der Alchimie und kein Komposit der Chemie entdecken, der Ruhm der glücklichen Anwendung und der Ausbildung der Technik dieser bahnbrechenden Er- findung bleibt dem Rheinthale bewahrt. Aehnlich verhält es sich mit der Erfindung der Buchdruckerkunst. Zerlegbare Lettern mag bereits der Harlemer Laurenz Koster angewandt haben; aber diese fruchtbare Idee zuerst in Verbindung mit anderen technischen Vo^yeilen und zur folgenschweren Anwendung gebracht zu haben, dies Verdienst gebührt dem Mainzer Bürger Johann Gutenberg und seinen Gehülfen Fnst und Schöffer. So bildet das Rheinthal im Mittelalter den Ausgangspunkt und das Cen- trum der europäischen Kulturwelt und der Weltmonarchie, und als der theokratische Cäsaropapismus in Stücken fiel durch die aufstrebende Gewalt der nach Freiheit ringenden Volkskräfte, ist es wiederum das Rheinland, in dessen Gauen eine neue Sonne aufgeht, die nach den religiösen und politischen Wirren und Stürmen des 16. bis 18. Jahrhunderts eine neue Zeit und eine neue Kulturepoche in Mitteleuropa bestrahlen sollte. Ende des vierten Bandes.
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