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1. Bilder vom Niederrhein - S. 198

1882 - Leipzig : Spamer
198 Xanten. hat sich der Name Tanten wol aus Sanctum mit Auslassung des mittleren c gebildet, wie der Volksmuud noch heutzutage Sauten sagt und es auch im Nibelungenliede heißt. In einem Kaufakt von 1237 liest man auch vom „Zanctener Capitel". Wie aber erklärt mau nun das £ zu Anfang des Wortes Tanten? Soll man an eine Verschmelzung des in Sanctum ausgefallenen c mit dem Anfangsbuchstaben 8 denken? Oder hat bei der einmal vorhandenen Trojasage der Bach Tanthns, welchen auch das Annolied erwähnt, der aber freilich bei Tanten nicht zu eutdeckeu ist, mitgewirkt? — Das sind Streitfragen, die wir den Herren Gelehrten überlassen wollen. Wir kommen jetzt zu einer sehr interessanten, noch nicht hinlänglich von den Sagenforschern gewürdigten Frage, ob nämlich die Legende vom heilige» Viktor mit der Siegfriedsage Beziehungen haben kann. Da ist denn vor allen Dingen der Name selbst frappant. Viktor bedeutet ohne Zweifel das Nämliche wie Siegfried (nordisch Sigurd). Wie so viele Heilige, wird auch Viktor im Kampfe mit dem Drachen, der nach christlicher Auffassung den Teufel oder das böse Prinzip versinnlicht, dargestellt. Wir erblicken eine solche Figur auch auf der eiueu Seite des Thorwegs zur St. Viktorskirche, die man auf den gehörnten Siegfried, den Drachentödter, gedeutet hat. Ein anderer Zusammenhang zwischen der kirchlichen und geschichtlichen Bedeutung Xantens liegt wol auch darin, daß die Stiftskirche zu Tanten in alter Zeit in der Nähe von Worms, bekanntlich dem burguudischen Königssitz, ein Allo- dialgnt Guntersblumen besaß, das sie lant einer Urknnde vom 1. Februar 1237 au die Kirche von Worms verkanste. Gnntersblum erinnert aber an Gnnther*), den Brnder Krimhildens. Mit dem Namen dieser Königstochter hat man nnn wieder den der heiligen Helena zusammengebracht. Nach Johannes v. Müller kommt Krimhilde anch unter den Namen Jldiko, Hildike vor; Hildike ist aber die Verkleinerung von Hilde und zugleich vou Helena. Sollte auch hier eine Verwechslung stattgefunden haben? Wir finden bei allen Anklängen der Namen wenig greifbaren Halt. Von einem Drachenkampf in der Legende des heiligen Viktor wissen wir eigentlich nichts. Auch kehren in den Mythen aller Völker solche Kämpfe mit Ungeheuern wieder. Uns bedünkt der In- halt der Nibelungensage durch und durch heidnisch. In den nordischen Ueber- lieserungen dieser Sage merken wir vom Einfluß des Christenthums nichts, und selbst in dem mittelalterlichen Nibelungenliede sehen wir außer dem Gange in das Münster und der farblosen Figur des Schloßkaplans keine Spur vom Christenthum: im Gegentheil, da werden echt heidnische Leidenschaften, wie Blut- räche, auf das Heftigste entfesselt. Wir können uns leider über den Gehalt und die Bedeutung dieser wichtigsten aller germanischen Sagen, deren poetischer Werth sie ebenbürtig neben die großen Epen des klassischen Alterthums stellt, hier des Weiteren nicht verbreiten und verweisen deshalb auf das neuerdings in unserem Verlage erschienene Werk: „Nordisch-germanische Götter- und Heldensagen" von Dr. I. Nover unter Mit- wirkung von Dr. Wilhelm Wägner, sowie aus die Monographie: „Ursprung und älteste Gestalt der Nibelungensage" von Dr. I. Nover (Mainz 1880, I. Diemer). *) Soll seinen Namen auch nach einem gewissen Grafen Günther von Leiningen haben, der es seine „Blume" nannte.
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