1883 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Kretschmer, Albert, Klöden, Gustav Adolf von, Steudener, Arnold, Köppen, Fedor von, Molendo, Ludwig, Nover, Jakob, Richter, Julius Wilhelm Otto
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
158 Das Fichtelgebirge und seine Ausläufer.
rasch von der Höhe über sehr steile Gehänge in enge Spaltenthäler. Ein gleich
steiles Gehänge führt jenseits wieder zu einem schmalen Rücken empor, um
ebenso rasch weiter hinaus aufs neue zu einer tiefen Thalfurche sich nieder-
zuziehen. So führt uns der ermüdende Weg von mehreren Stunden über fünf
und mehr hohe schmale Rücken zu ebensovielen Thaltiefen, in denen klares
Bergwasser im eiligen Sturze den Bergen zu entrinnen sucht.
Beide Gebirgsplatteu, die des Frankenwaldes wie die Münchberger, sind
an sieben oder acht Stellen von schwarzgrünen, uralten Lavagesteinen eigner,
seltener Art durchbrochen: von jenen Diabasen, denen das Fichtelgebirge so
viel von seinen Reizen verdankt, daß sie ein paar Zeilen wohl verdienen.
Diese Diabase (aus Augit und Labrador gebildete, den Augitporphyren
Südtirols parallele Grünsteine) haben einen nicht unbeträchtlichen Gehalt an Kalk,
welcher mit seiner leichteren Lösbarkeit das Gestein verwitterbarer macht, und
damit fruchtbarer, geeignet zu herrlichen Waldbeständen, auch der Buche, und der
den Artenreichtum des Bodens fördert, was Pflanze und Tier anlangt. Da die
Diabasgesteine aus härteren und weicheren Partien bestehen, so arbeitete auch
der Zahn der Zeit sie gar verschieden aus; und so kommt es, daß sie das Auge
durch große Schönheit ihrer Felsbildungen fesseln, die zwischen reichen Wäldern
oft ungemein steil und kühn emporzacken. Sie sind es, welchen die Thäler
von Berneck und Dürrenwaid, die herrliche Hölle bei Steben, das Saalthal
unterhalb Hof und bei Blankenstein ihre großen natürlichen Reize verdanken.
Diese Diabase sind einst in die Landschaften hineingekommen, wie später
die Basalte, und wie in unsern Tagen noch die Lenzitlaven, welche bei Santorin
und sonst im Mittelmeere neue Inseln bilden. Es sind ursprünglich unter-
seeische Vulkanausbrüche: was an Lavamassen damals, d. h. in unvor-
dörflicher Zeit, über den Meeresspiegel gehoben ward, ist heute der härtere
Kern, das Massengestein; was aber damals an flüssiger Masse sich unterm
Wasserspiegel ausbreitete, erscheint uns heute als Schiefer oder Tuff, weil es
eben Lava ist, die in schichtartige Decken (Übergußschichten) aus- und über-
einander gebreitet wurde. Die von der Lava bei deren Durchbrechen zerstörten
Teile des Meeresgrundes wurden dabei in den Lavateig mit eingebacken, und
so die geschichteten Konglomerate des Diabasreviers hergestellt.
Sagen. Reichlicher und bedeutungsvoller quillt der Born der Sage
wohl nirgends im deutschen Lande, neben dem Kyffhänser und Reichenhaller
Untersberge, als im Fichtelgebirge. Hier blühte seit der Heidenzeit der Bergbau
als der älteste in Deutschland; und mit dem geheimnisvollen Bergsegen stiegen
auch die mythenbildenden Kräfte aus der Tiefe. Hier stießen nicht bloß politisch
getrennte Volkszweige, hier stießen hart zwei Rassen, in Blut und Glauben und
Sprache verschieden, christliche Deutsche und heidnische Slaven, aufeinander.
Hier schufen endlose Besitzzersplitterung und der Druck der kleinen schlimmen
Dynasten bei dem gutmütigen, steißigen, nicht wenig auch poetisch angelegten,
aber zur Grübelei und Übertreibung neigenden Volke eine besondere Sehnsucht
nach besseren Zuständen. Auch die Bodengestaltung, die unheimlich zertrüm-
merten Berge, die öden Moore, die rauschenden tiefen Schluchten, der ungeheure
Tann, die vielen zerstörten Burgen boten der Phantasie und der Sagenbildung
die ergiebigsten Anhaltspunkte.