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1. Bilder aus dem westlichen Mitteldeutschland - S. 244

1883 - Leipzig : Spamer
244 Ter Harz und seine Umgebung. seinem Hause etwas Wichtiges bevorstand, an dem Brunnenrande zu erscheinen pflegte, über die Zukunft zu befragen. Um Mitternacht trat er daher an die geheimnisvolle Stelle; alsbald erschien der Geist an dem Brunnenrande als lange weiße Gestalt und sprach: „Ich kenne dein Begehren; geh' nur getrost zurück, denn dein Weib soll dir bald einen Knaben schenken, der dein Geschlecht bis in die fernsten Zeiten fortpflanzen soll." Froh kehrte der Graf zurück und ward schon nach Jahresfrist Vater eines prächtigen Knaben, der den Namen Konrad erhielt. Und wiederum nach einem Jahre ward ein zweiter Sohn ge- boren. Erfreut trat der Graf nach dieser zweiten Geburt um Mitternacht wieder an den Brunnenrand, um dem Geiste freudigen Herzens zu danken. Doch dieser erschien ihm jetzt mit kummervoller Miene: „Freue dich nicht über diesen zweiten Sohn, denn er wird meinen Namen tragen, seinen Stamm ver- nichten — und dann soll ich gleichfalls Ruhe finden." Diese Mitteilung brachte bei den Eltern große Trauer hervor; der Knabe aber wurde absichtslos Helmold genannt, wie auch der wilde Ahnherr geheißen, der zur Strafe bis zu Reinsteins Fall in den Brunnen der Bnrg gebannt worden war. Da sich nun alle Liebe der Eltern dem älteren Sohne Konrad zuwendete, während Helmold wenig beachtet unter dem Gesinde lebte, wurde der letztere roh und sittenlos, und als ihu sein Vater einst stark züchtigte, verließ er heimlich das Schloß, irrte lange in den Wäldern umher und gelangte zu einer wilden Räuberbande, die ihn gern aufnahm und wegen seiner Verwegenheit und Kühnheit zum Hauptmann erwählte. Als der alte Graf starb, sandte der entartete Helmold zu seinem Bruder Konrad und forderte denselben auf, ihm sofort sein Erbe auszuhändigen. Als Konrad zögerte, zwang ihn Helmold mit Gewalt zum Nachgeben, und sie kamen dahin überein, daß die Herrschaft von ihnen gemeinsam geführt werden sollte. Die Räuber zogen nun als Knappen mit aus die Burg und begannen, als ihnen das beutelose Stillleben nicht mehr behagte, auf Wegelagerung auszuziehen. Vergeblich widersetzte sich Konrad, doch Helmolds Wille siegte; und als dieser nach seines Bruders Tode alleiniger Herr geworden war, wurde der Reinstein ein höchst gesürchtetes Raubnest. Einst raubte der Graf ein schönes Mädchen von der Heimburg, das er zum Weibe begehrte. Als die Schöne aber alle seine Anträge kalt zurückwies, wurde sie in ein fürchterliches Verließ geworfen. Aus dem vernehmbaren Brausen des Windes entnahm die Unglück- liche, daß die Wand ihres Kerkers nicht dick sein könnte, und begann daher mit dem Ringe ihres Geliebten an dem Felsen zu kratzen. Dieser war weich und gab nach, und siehe, so langsam auch der Fortschritt war, nach Jahr und Tag drang das Licht durch einen Spalt in den Kerker, und die Öffnung wurde schließlich groß genug, um sie hindurchzulassen. Doch nur unter großer Gefahr gelang es ihr, von der Öffnung aus die jähen Felsen hinabznklimmen und glücklich wieder zu den Ihrigen zurückzukommen. Ihr Bräutigam und ihre Verwandten zogen nun vor das Ranbnest, und als sie es nicht mit Gewalt zu erstürmen vermochten, griffen sie zur List. Helmold hatte die Belagerer abziehen sehen und wollte die augenblickliche Befreiung zur Verproviantierung benutzen. Auf seinen Befehl erschienen denn auch Scharen von Bäuerinnen, um Butter, Käse, Eier u. bergt, herbeizuschleppen. Kaum aber war die Zugbrücke niedergegangen und das Thor geöffnet, da warfen die angeblichen Bäuerinnen ihre Kleider ab und standen als rüstige Krieger da, die, von außen verstärkt, die niederträchtige Burgmannschaft
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