1883 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Vogel, Hermann
- Hrsg.: Gebauer, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Aus der Geschichte Dresdens. 299
das dritte Bauwerk, das Dresden für alle Zeiten charakterisiert, die katholische
Hofkirche, das Werk des Italieners Gaetano Chiaveri, und ihr schloß sich
eine ganze Reihe von öffentlichen und Privatgebäuden an, vorzüglich Paläste
der Edelleute des Hofes. Besonders großartig war die Bauthätigkeit des
Grafen Brühl, der als Premierminister Augusts Ii. diesen nach seinem Willen
lenkte und das Land unumschränkt regierte. Sein jetzt königliches Palais ließ
er an der Rückseite der Festungswerke, die das Elbufer oberhalb der Brücke
deckten, errichten, und das Plateau dieser Werke, die jetzige Brühlsche Terrasfe,
verwendete er zur Anlage eines großartigen Gartens, alles das freilich auf
Kosten des von ihm schmählich ausgebeuteten Landes.
„Die Bauperiode von 1730 —1760", sagt Dr. Richard Steche, „ist es
vorzugsweise, welche der Stadt den Charakter gab, den sie noch heute zeigt,
und welcher Dresden vor allen andern modernen Städten so wertvoll für die
Architektur macht durch die seltene Einheit, welche alle sonst noch so verschieden-
artigen Gebäude der Stadt untereinander verbindet." Aus dem Barockstile
wird das Rokoko mit seinem gerippten Muschelwerk und den Blumen-, Blätter-
und Fruchtranken, welche die Glieder des Bauwerks verbinden.
Je mehr sich das 18. Jahrhundert dem Ende zuneigte, desto einfacher
und nüchterner wurden seine Bauten. Das Elend der Zeit erstickte die Freude
an der Kunst und versagte auch die Mittel zu ihrem Wirken. Nicht besser ging
es im 19. Jahrhunderte bis zum Abschlüsse der napoleonischen Wirren. Dann
kam zwar eine lange Periode des Friedens; aber Stadt und Land waren so
erschöpft und es gab so viel wieder gut zu machen, was in der schweren Zeit
vorher zurückgegangen war, daß man längere Zeit hindurch nur nach Zweck-
Mäßigkeit und Nützlichkeit, wenig nach der Schönheit fragen konnte.
Es stellten sich auch bald in der Hauptstadt Bedürfnisse heraus, die ge-
bieterisch Befriedigung heischten und dadurch alle Mittel in Anspruch nahmen.
Nach dem Jahre 1815 wurden die beengenden Festungswerke entfernt, die Vor-
städte konnten zur inneren Stadt in engere Beziehungen treten und nahmen
rasch an Ausdehnung zu. Im dritten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts begannen
der Eisenbahnbau und die Dampfschiffahrt von Dresden aus, Industrie und
Handel belebten sich immer mehr, jede neue Volkszählung wies eine bedeutende
Zunahme der Einwohnerzahl nach, eine Straße nach der andern wurde ange-
legt und schnell schlössen sich deren Häuserreihen — mit einem Worte: Dresden
entwickelte sich zur Großstadt. Dadurch traten neue Aufgaben an die Stadt
heran, die nur durch Aufwendung großer Summen bewältigt werden konnten,
so daß für die Pflege der Kunst wenig übrig blieb.
Aber auch diese Zeit ist überwunden worden. Die neueste Periode in der
Banthätigkeit Dresdens wurde durch Gottfried Semper herbeigeführt, der
durch den Bau des Hoftheaters und des neuen Museums die Formen der
Renaissance zu neuem Leben erweckte und dadurch den Sinn für die Freude
an schönen Bauwerken wieder hob. Wer die neueren Schulen und andern
städtischen Bauten Dresdens, das neue Gerichts- und das neue Postgebäude,
die neuen Kasernen betrachtet und den neueren Wohnungsbau in den besseren
Stadtteilen beobachtet, muß bekennen, daß die sächsische Residenz Schritt hält
mit dem Aufschwünge, den seit der politischen Einigung der Nation mit allen
übrigen Zweigen der Kunst auch die Baukunst in Deutschland genommen hat.