1885 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Köppen, Fedor von, Lehmann, F. W. Otto, Klöden, Gustav Adolf von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Matrosen- und Volksleben ans dem „Hamburger Berge". 45
Und wen sollte endlich das vortrefflich eingerichtete Affenhaus mit seinen
allen Lebensmut. Schlauheit. Tücke. Sanftmut. Gelehrigkeit. Nachahmungstrieb,
körperliche Gewandtheit entwickelnden, possierlichen Bewohnern nicht lebhaft
interessieren, besonders wenn ihnen zur Sommerzeit die ausreichendsten Mittel
zum Spielen und Klettern im Freien dargeboten werden?
Besondere Erwähnung verdienen noch das Aquarium und das Terra-
rinm. welche fast in der Mitte des Gartens Platz gefunden haben. Letzteres
ist ein Glashaus, dessen Grotten im kleinen mit mehr oder weniger schön ge-
färbten Schlangen, Eidechsen, Kröten und dergleichen belebt sind. Das Aqua-
rium. nach den Plänen des in derartigen Bauten bereits praktisch erfahrenen
W. Alfred Lloyd in London von Menron und Haller erbaut, wurde, um eine
gleichmäßige Temperatur zu erhalten, einige Meter unter der Oberfläche des
Terrains angelegt und enthält in seinen durch starke Glasscheiben dem Auge
des Beschauers zugänglichen Behältern die Bewohner des nassen Elements.
Hier erfreuen uns die lustigen Bewegungen der Süßwassersische, dort tummeln
sich deren Verwandte aus den Weltmeeren, oder es fesseln unser Auge die ver-
schiedensten Schnecken, Krebse, Krabben, Muscheln, Seesterne, Seerosen. Polypen
und andres in den mannigfaltigsten Farben und Gestaltungen.
Fassen wir alles zusammen, so darf man wohl behaupten, daß Hamburgs
Zoologischer Garten sowohl durch die Auswahl der Tiere als durch seine prak-
tischen und anmutenden Anlagen nicht nur den Dilettanten, sondern auch den
Gebildeten und Forscher befriedigt, und daß demselben mit Recht ein Ehren-
platz unter seinesgleichen einzuräumen ist. In Anerkennung dieser Thatsache
wurde dem Gründer in der „Ernst Merk-Halle" ein Denkmal gesetzt.
Matrosen- und Volksleben auf dem „Hamburger Lerge". Es ist
Montag Nachmittag. Wir befinden uns am Hasen. Das junge Laub der Bäume
und Sträucher der Elbhöhe und der Anlagen neben derselben hat noch nicht
von Staub und Hitze gelitten und prangt im schönsten Hellgrün, während die
Zrühlingssonne die mannigfachen Bilder am Hafen so schön beleuchtet, wie es
ein Frühlingstag in Hamburg nur zuläßt. Dort arbeiten sich Rollwagen die
Straße hinauf; dazwischen jagen Droschken und Reiter, schreien Kofferträger,
singen Matrosen, rufen Verkäufer und lustwandeln Fremde; hier stehen Gruppen
von kräftigen Gestalten mit derben, von der Sonne wie von geistigen Getränken
geröteten Gesichtern. Ein ungebundenes Benehmen scheint in dieser Gesellschaft
vorzuherrschen; mehr als einmal ragt eine wie zum Schlage erhobene Faust in
die Lüfte — beileibe keine Beleidigung, sonder nur eine Bekräftigung des eben
Gesagten ausdrückend — und zu öftern Malen dringt der zwar kräftig hervor-
gestoßene, aber dennoch als eine der häufigsten, durchaus freundlichsten Be-
grüßungen geltende Wunsch, daß Gott jemanden verdammen möge, zu uns herüber.
Jetzt scheinen sie zu einem Entschluß gekommen zu sein; sie wenden sich, in kleinere
Gruppen teilend, dem „Hamburger Berge", der jetzigen Vorstadt St.pauli zu.
Folgen wir den Jüngern Neptuns, denn nicht nur der dunkelblaue Anzug mit
breitem Matrosenkragen und der nackte Hals lassen uns in ihnen Seeleute er-
kennen, sondern auch ihr etwas wiegender Gang läßt daraus, schließen, daß es
Menschen sind, die sich vorherrschend auf schwankendem Boden bewegen, auf
dem sie sich stets gegen einen unvorhergesehenen Stoß gesichert halten müssen.