1885 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Köppen, Fedor von, Lehmann, F. W. Otto, Klöden, Gustav Adolf von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
132 Bremen und die Wesermündung.
Geschichte haben, daß es schwer hält, sie voneinander zu unterscheiden. Der größte
Unterschied dürfte der sein, daß das Stadland als Flußmarsch, Butjadingen
dagegen als völlige Seemarsch, namentlich in Klima und Strandflora, anzusehen
ist. Früher begriff man auch die ganze Gegend unter der gemeinsamen Benennung
Rustringen. Die Namen Stad und Butjadingen kommen erst ziemlich spät vor.
In keiner Marsch ist der Boden so wellig, wenn auch nur in leise ge-
dehnten Linien geschwungen, als hier. Der Grund mag teilweise in den einstigen
Jnselbildungen beruhen, andernfalls indes trägt die Menge von alten, jetzt sehr
zusammengesunkenen oder auseinander gespülten Wurten des Landes zu dieser
Erscheinung bei, welche wir nirgendwo so zahlreich wiederfinden.
Was die Kultur des Landes und die Zivilisation der Bewohner betrifft, können
wir Butjadingen, namentlich aber Stadland, unter den Marschen an der Weser
unbedingt den ersten Rang zusprechen, und es nimmt in seiner Weise hier die Stelle
ein, welche Hadeln unter den Elbmarschen behauptet, während das eigentliche
Butjadingen dem Stadlande etwas nachsteht und ungefähr zu diesem sich wie
Kehdingen zu Hadeln verhält, vor allem im Bildungsstande seiner Bevölkerung.
Nirgends am ganzen rechten und linken Weserufer finden wir so herrliche,
wohlgepflegte und musterhafte Marschhöfe als im Stadlaude; nirgends die
Felder in solch uutadelhaftem Stande, die Viehzucht auf solcher Höhe und
Bedeutsamkeit; in keiner Marsch eine solche Ordnung und fast holländische
Reinlichkeit in der ganzen Wirtschaft, und nirgends so uralte, noch blühende,
reiche Patriziergeschlechter, als diese Marsch sich deren rühmen kann.
Das Land bietet nicht wie Sted'ngen und die gegenüberliegenden Weser-
marschen den Anblick so mächtiger, baumloser, ununterbrochener Ebenen und
wieder so kompakter Dorfschaften, sondern es hält gewissermaßen die Mitte
zwischen diesen und den Elbmarschen, die überall mit einzelnen Höfen und
Häusern besäet sind und das Auge selten ein Stück Horizont sehen lassen. Es
gibt hier nicht nur zahlreiche kleinere Dörfer, sondern anch eine Menge Höfe
und Einzelhäuser, die sich aber nicht regelmäßig zerstreut, sondern fast immer
reihenweise an den Hauptstraßen gelegen durchs Land ziehen. Die Bauart ist
im ganzen wenig von der in andern Wesermarschen verschieden, nur macht sich
in diesem und jenem, wie auch in Sitte und Sprache ein offenbar vom west-
lichen Friesland hergedrungener Einfluß bemerkbar.
Um 1720 entdeckte durch Zufall ein Hausmann zu Fedderwarden, Namens
Jürgens, die merkwürdige Wirkung der Kalkerde, die hier häufig in Bänken
gelagert vorkommt, auf den Pflanzenwuchs und ward der erste „Wühler" im
Lande. Seitdem ist das „Wühlen", d. h. das Heraufholen dieser Erde aus den
Bänken und Ausbreiten auf der Ackerfläche, für den Ackerbau Butjadingens
mit jedem Jahre von zunehmender Bedeutsamkeit geworden, und wer eine Bank
Wühlerde in seiner Besitzung findet, kann es als einen wahren Schatz ansehen.
Denn mancher Strich Landes, der einst für den Pflug uuberührbar bleiben
mußte, trägt jetzt die üppigsten Raps- und Kornfelder. — Während in Butja-
dingen meist der Ackerbau vorherrscht, steht im Stadlande dagegen Viehzucht,
Fettweiden des Viehes und Handel damit in erster Reihe und zwar auf einer
so blühenden Höhe und in einer Bedeutsamkeit, wie in keiner andern Marsch.
Das Land macht im Sommer auf den Fremden einen äußerst wohl-
thuenden Eindruck. Da liegt sie vor uns die reichgesegnete Ebene. Zu beiden