1885 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Köppen, Fedor von, Lehmann, F. W. Otto, Klöden, Gustav Adolf von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Borkum. 177
Beim Übersteigen der zweiten mächtigen Hügelkette erblicken wir im Westen
ein hügeliges Terrain, wahrend sich im Osten eine teils mit Sanddorn und
Dünenweiden, teils mit Sumpfgräsern bestandene Niederung, die „Dodemanns-
delle", ausbreitet. Die dritte Parallelkette bildet den Nordrand der Dünen.
Hier üben Wind und Wellen ein stetes Zerstörungswerk, so daß die äußersten
Dünen mit Recht den Namen „Dünenleichen" verdienen. Nur auf dem Gipfel
noch etwas kümmerlichen Sandhafer erzeugend, bieten sie dem Winde von allen
Seiten ihre nackten Flanken zum Angriff dar, sich selbst dem sicheren Untergange
weihend, doch nur, um weiter landeinwärts wieder in neuer Gestalt zu erstehen;
denn in der östlichen Hälfte dieser Kette, in der Nähe der zwischen Ost- und
Westland angelegten „Dünenkonpierung", finden wir statt der „Dünenleichen"
„Dünensprößlinge". Über den hohen, trockenen Nordstrand weht nämlich der
Nordwind unaufhörlich große Sandwolken vor sich her, die sich zwischen die
Halme des hier üppig wachsenden Sandhafers ablagern und fo neue Dünen
bilden helfen. In richtiger Benutzung dieses Umstandes sind hier denn überall
langgestreckte Helm- (Sandhafer-) Pflanzungen angelegt, die alsbald zu nicht
unbedeutenden Dünenketten heranwuchsen, während die Zwischenräume derselben
sich durch das sich ansammelnde Regenwasser in Sumpfwiesen verwandeln, die im
Sommer zahlreichen Sumpfvögeln willkommene Niststätten, im Winter, wenn
sie langgestreckten Seen gleichen, dem Jäger wegen der hier einfallenden Zug-
Vögel ein willkommenes Jagdrevier bieten. — Die von dem Deiche sich nach
Osten erstreckenden Dünen, die „Bandjedünen", umfassen grasreiche Thäler und
bieten ein belebtes Bild durch die hier weidenden nicht unbeträchtlichen Vieh-
Herden der Insel.
Ost- und Westland der Insel sind durch eine gerade Dünenkette miteinander
verbunden. Natur und Kunst haben sich vereinigt, diese Dünen auf einem flachen
Strande, über den sich früher nicht selten die vom Nordwestwinde angetriebenen
Fluten der Nordsee, die beiden Jnselhälsten mit vollständiger Trennung bedrohend,
ergossen, hervorzuzaubern. Betreten wir das Ostland, so finden wir auch diesen
Teil an der Süd-, West- und Nordseite mit Dünen umgeben, die namentlich
in den Norddünen einen wilden Charakter annehmen. Hier tritt uns im Sommer
ein munteres Leben entgegen. Unter dem Schutze eines Dünen- und Vogel-
Wärters, welcher sich auf der höchsten Düne angesiedelt hat, nisten hier eine
Schar Silbermöven und Seeschwalben, „Kobben und Steerenken" genannt, die
sich beim Betreten der „Kobbedünen" und der „ Steerenkklipp" mit großem
Geschrei erheben und den Wanderer umkreisen.
Vor den andern ostfriesischen Inseln zeichnet sich Borkum durch eine große
Fläche kultivierten und kulturfähigen Bodens aus, der auf dem Westlande zum
größten Teile als Wiese und Weide und nur in geringem Maße als Ackerland
benutzt wird.
Die ca. 700 Einwohner der Insel wohnen meist auf dem Westlande, nur
etwa 30 derselben gehören dem Ostlande an. Im Hauptdorfe selbst, im äußersten
Westen der Insel liegend, fallen die zahlreichen Gärten wohlthuend ins Auge.
Es gibt fast kein Haus, das nicht von einem größeren oder kleineren Garten
umgeben ist, in welchem außer den üblichen Küchengewächsen hier und da auch
Blumen gezogen werden, die freilich des scharfen Seewindes wegen nur bei
sorgfältiger Pflege an geschützten Stellen gedeihen können. Natürlich kann, da
Deutsches Land und Voll. X. 12