1885 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Köppen, Fedor von, Lehmann, F. W. Otto, Klöden, Gustav Adolf von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Eine vergessene Universität (Helmstedt). 357
wie ihn seine Zeit und sein Volk nicht trefflicher wünschen konnten. _ Der all
sein Thun beherrschende Grundzug war tiefe Religiosität, das Ziel seiner Re-
gierung war das Wohl seiner Unterthanen. Ganz besonders war sein Streben
darauf gerichtet, die Finsternis, welche die Gemüter damals gefangen hielt, zu
zerstreuen und den Nebel zu bannen, welcher auf allen Gebieten menschlichen
Wissens lagerte. Für alles dies hat er feine volle Geisteskraft, die ganze ihm
zu Gebote stehende Fürstengewalt eingesetzt, dafür war dem Sparsamsten aller
Herrscher nichts teuer und zu gut, dafür hat er Werke geschaffen, die seinen
Namen mit unsterblichen Lorbeern geschmückt haben. Seine Kirchen- und Kloster-
ordnung, sein Corpus doctrinae Julium, seine Hofgerichtsordnung sind aus
geistigem Gebiete, die Schiffbarmachuug der Oker, die Einrichtung eines regel-
mäßigen Briesbotendienstes, die Organisation einer alle waffenfähigen Unter-
thanen umfassenden Miliz, die Ansammlung eines Staatsschatzes von 700 000
Thalern sind auf administrativem Felde derartige Großthaten, aber die größte
von allen war die Stiftung einer Universität für sein Land, das damals um
die Fürstentümer Calenberg und Göttingen sowie um die Grafschaft Hoya
größer war als das jetzige Herzogtum Braunschweig.
Den später so herrlich verkörperten Gedanken hatte Herzog Julius schon
als Prinz gefaßt, er wollte, falls er zur Regierung käme, damit dem Allmäch<
tigen seine Dankbarkeit beweisen; die bei der angestellten Kirchenvisitation so
schrecklich hervorgetretene Unwissenheit der Geistlichen brachte den Gedanken zur
Reife, ja es wurde, um nunmehr keine Zeit zu verlieren, vorerst im Jahre
1571 eine Anstalt mit beschränkteren Zielen, ein Pädagogium, in dem am
Nordrande des Harzes in einer Thalmulde anmutig gelegenen Städtchen Gan-
dersheim errichtet, bevor die zur vollen Ausführung seines Planes erforder-
lichen Vorarbeiten beendigt sein konnten. Die wenig gesunde Lage jenes Ortes
veranlaßte schon nach einigen Jahren die Verlegung des jungen Instituts nach
Helmstedt. Dieser an der Ostgrenze des Herzogtums belegene uralte Kultur-
Punkt, welchen bereits der Missionar Ludgerus durch Errichtung eines nach
ihm genannten Klosters unter den Krummstab gebeugt hatte, der aber später nach
Erstarkung des Bürgersinnes, nach dem 1457 erfolgten Beitritte zum Bunde
der Hansa dem geistlichen Regimente immer mehr Schwierigkeiten bereitete, so
daß sich der Abt Anton Grimhold genötigt sah, im Jahre 1490 den Herzog
Wilhelm den Jüngeren von Braunschweig mit der Stadt zu belehnen, hatte sich
Herzogs Julius Vorliebe hauptsächlich durch die Entschiedenheit erworben, mit
welcher seine Bürger im Jahre 1542 die Kirchenreformation eingeführt und
trotz aller Maßregeln Heinrichs des Jüngeren hoch gehalten und unverletzt be-
wahrt hatten. Dazu kam, daß die an sich zwar etwas ärmlich gebaute, aber
in waldreicher Hügelgegend gelegene Stadt nicht nur gar manche Naturreize
in ihrer Umgebung darbot, sondern sich auch durch eine erfahrungsmäßig höchst
gesunde Lage auszeichnete und bei ihrer fast doppelt so großen Ausdehnung
wie Gandersheim leichter den Anforderungen an eine Universitätsstadt ge-
nügen konnte.
Inzwischen war es den nach Prag gesandten Kammerräten Heinrich von
der Lühe und Matthias Bötticher gelungen, die Privilegierung der zu errichtenden
Universität vom Kaiser Maximilian srüher als die um ein Gleiches bittende
Stadt Straßburg zu erhalten; und nachdem die unentbehrlichsten Gebäude auf