1884 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Karl von Holtci. 41
Das beste Denkmal Holteis, welches die Rottanne in Obernigk, den Granit-
stein auf dem Bernhardinkirchhofe und selbst die Büste Rachners überdauern
wird, hat sich der Dichter gesetzt in seinen „Schlesischen Gedichten" im Jahre
1830. „Es gehörte der ganze Mut eines Mannes dazu", sagt Rößler, „da-
mals mit schlesischen Gedichten an die Öffentlichkeit zu treten; die Verachtung
der sogenannten Bauernsprache war gar zu groß. Eine hochgestellte Persönlich-
keit nnsrer Provinz äußerte sich, wie mir der Dichter in seiner originellen Weise
selbst erzählt hat, etwa folgendermaßen: „Derholtei ist ja ein recht guter Kerl,
seine kleinen Lustspiele sind ja auch recht nett; aber mit seinen Schlesischen Ge-
dichten hat er doch eigentlich die ganze Provinz vor Deutschland lächerlich
gemacht." So groß war das Vorurteil gegen die Volkssprache damals, und
es ist, leide? muß es gesagt werden, gerade bei einem großen Teil der söge-
nannten Gebildeten heute noch nicht ganz geschwunden. „Es gibt auch heute
noch Leute", wie Claus Groth sagt, „welche es für eine Frechheit erklären, Bücher
zu schreiben in der Sprache der Gasse und der Schenkstube; aber glücklicherweise
gibt es auch solche, denen sogleich die Thränen der Rührung in die Augen
treten, wenn sie in wohlgesetzter Rede die Töne vernehmen, die ihnen wie die
Jugend teuer und wie sie entschwunden sind." Es bleibt also Holteis unbe-
streitbares Verdienst, einmal daß er diesem ertötenden Vorurteil mutig und
furchtlos entgegengetreten ist, sodann daß er das Fühlen und Denken des schle-
stschen Volkes in schlesischer Sprache glücklich wiedergeschaffen hat und somit
ein Bahnbrecher für alle Zukunft geworden ist." Holtei kennt das schlesische
Volk und seine Stimmungen, und diese bringt er in seinen „Schlesischen Ge-
dichten" zur Anschauung und trifft den Volkston mit großem Glück; er ist mit
dem Volke ernst und heiter, traurig und munter, wie es sich gerade trifft, aber
immer einfach und vom Herzen zum Herzen sprechend. Mit diesen Liedern
hat er sich zuerst Schlesien, dann ganz Deutschland erobert, zuerst langsam
{1. Aufl. 1830, 2. Aufl. 1850, 18. Aufl. 1883.), dann immer schneller. Zwei
Gedichte werden genügen, uns einen Blick in das Herz des Dichters thuu zu
lassen und uns zu eifrigem Lesen der ganzen Sammlung zu bewegen. Ein
Gedicht aus dem Jahre 1828 schildert uns die aus dem Riesengebirge ab-
ziehenden Leinweber, die sich in Rußland eine neue Heimat suchen, aber ihr
„Schläsing" nicht vergessen:
De Leinwäber.
„Ich kam 'a Weg vum Riesenkamm
Und ging uf's Warmbad zu;
Do traf ich auue lange Schar,
Wu Man' und Weib beisammen war,
Und Kinder ohne Schuh'!
Sull's ärndt wul anne Wohlfahrt sein?
Se ha'n kee' Fahndet nich',
Kee Kreutz vuran, kee' Sang und Klang,
Su ziehn se ihren stillen Gang,
's is' urndlich ängstiglich.
Se tra'n ihr Bissel Sack und Pack
Und schleppen rasnig schwär'!
Nu' Leutel sa't, wu giht's denn-t-hin?
Ihr t'utt wul ei de Fremde zieh'n?
Und red't, wu kummt i'r här?
Ber kummen vohn 'a Bärgen här,
Ber zieh'n ei's Polen 'nei;
Ber sein urnär schund matt vur Ruth,
's is' gor a' hungrig Stücket Brut,
De schläs'sche Wäberei.
Im ru'scheu Polen ga'n se uns
Jedwedem a' Stück Land;
Do wull' der uu' in's Flache ziehn
Und lassen ünse Bärge stihn —
Härr Got', dir is's bekannt.
Adjees du liebes Vaterland,
Du Schläsing, gude Nacht!
Säht euch ak üm, su lange 's giht,
Und säht, wu ünse Kuppe stiht
Und ei' der Snnne lacht.