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1884 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Weberei und Teppichfabrikation. 51
und als ein Teil des Reichtums galt, nehmen heute mit Baumwolle fürlieb,
weil ihnen der billige Preis gestattet, noch hier und da eine unechte Spitze anzu-
bringen. Selbst uusre Landleute, die vor 30 Jahren gegen baumwollene Waren
noch Mißtrauen hegten, bringen diesen heute weit freundlichere Gesinnungen ent-
gegen. Man geht darauf aus, den äußeren Schein in billiger Weise zu wahren;
aber trotz der billigen Baumwollenpreise kauft man vorteilhafter, wenn man
statt Schirting, Dowlas oder Kattun gute deutsche Leinwand bezieht. Wir müssen
uns endlich ermannen, auf eigne Produkte stolz zu sein und die leidige Passion
für fremde Fabrikate abzustreifen.
Trotzdem nun soviel ausländische Fabrikate gekauft werden, wächst jetzt
Schlesiens Leinenhandel immer mehr über seine Grenzen hinaus; Schlesien ist
nach und nach die Leinenversorgungsquelle Preußens, ja Deutschlands geworden
und sendet außerdem schon heute über Land und Meer seine Fabrikate. In der
Jacquard - und Damastweberei bringt Neustadt in Oberschlesien wunderbar
schöne Waren auf den Weltmarkt.
In Landeshut stand schon im 17. Jahrhundert die Weberei in solcher
Blüte, daß daselbst am 17. April 1698 der Landeshauptmann von Nostitz eine
Leinwandordnung erließ. Hundert Jahre später wurden aus dieser einen Stadt
jährlich über 180 000 Schock Leinwand ausgeführt. Die Kriegsjahre 1806 bis
1813 wirkten höchst nachteilig auf Handel und Industrie. Seit 30 Jahren aber
hebt sich in Landeshut alljährlich mehr und mehr der Leinwandhandel. Da haben
seit dem Jahre 1852 die Gebrüder Methner (Karl und Robert) durch Umsicht und
Thätigkeit der Landeshnter Leinenindustrie neuen Ruf verschafft und neue Absatz-
gebiete erschlossen. Die zehn Jahre später gegründete Firma von F. V. Grün-
seld entwickelte eine bedeutende Rührigkeit, durch die sie sich in den weitesten
Kreisen empfiehlt. Gegenwärtig gibt es in Landeshut auf dem Gebiete der Leinen-
industrie sechzehn Firmen. Die Ausfuhr an Schocken beträgt jetzt erheblich mehr
als zur höchsten Blütezeit des vorigen Jahrhunderts. Nach den Berichten der
Handelskammer betrug die Zahl der von Handwebern im Jahre 1879 gefer-
tigten Stücke 316 395. Außerdem sind noch zwei mechanische Leinenwebereien
mit ungefähr 700 Stühlen thätig. Daß hier die Weberei nicht nur zweckmäßig
und einfach, sondern auch künstlerisch betrieben wird, beweist uns z. B. ein ein-
ziger Blick in eins der Musterbücher der obengenannten Firma F. V. Grünfeld.
Da finden wir unter andern abgebildet: ein Damastgedeck, genannt „Bergmanns
Gruß"; in die Decke sind die Fossilien der Steinkohlenflora in naturgetreuer
Wiedergabe der Pflanzenabdrücke eingewebt mit den bergmännischen Emblemen
und dem Spruch „Glück auf" und den Versen (in den vier Ecken):
„Horch, i>as Glöcklein ruft zur Schicht!
Braver Bergmann säume nicht!
Segen bringt erfüllte Pflicht!
Auf! Durch Finsternis zum Licht!"
Mit Freude und Stolz blicken die schleichen Leinwandfabrikanten in die
Zukunft, denn ihre Ware hat Anerkennung gefunden; und wenn auch die jetzigen
Fuggers keine kaiserlichen Schuldbriefe mehr vernichten, so haben sie doch durch
ihre freiwillige und unfreiwillige Steuerkraft auch unserm Kaiser das Geld zu
seinen Kriegen gegeben; und dreist können wir behaupten: es gab damals nur
einen Fugger in Augsburg, heute aber sind deren ein Dutzend in Schlesien.
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