1884 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
82 Das Jsergebirge mit seiner Umgegend.
Vor der Kapelle, und verschwand stets in der sogenannten blauen Kammer,
einem düsteren Gemache, aus dessen Fenster in der Nacht gewöhnlich ein blaues
Licht hervorglänzte. Sie ging still und schwermütig einher und that niemand
Böses; wer es aber versuchte, sie zu necken, dem begegnete bald darauf ein
Unglück. Wenn einem der Besitzer der Burg ein Unglück drohte, dann sah man
sie händeringend auf- und niedergehen, hörte sie auch wohl schluchzen. Einst
hatte ein Burgvogt auf Greifenstein eine sehr schöne Tochter, die sich der Gunst
der weißen Frau erfreute; denn wenn diese ihr erschien, ängstigte sie sich nicht,
sondern nickte ihr freundlich zu. Als nun einst das junge Mädchen in große
Gefahr kam, da ein fremder Ritter sie bedrohte, erschien plötzlich auf den
Hilferuf die weiße Frau und rettete das Mädchen, indem sie durch einen furcht-
baren Donnerschlag den Ritter erschreckte, so daß er tot zur Erde sank.
Während der Abwesenheit des Burgherrn kamen einst einige Ritter ans
die Burg, wilde und gottlose Gesellen, welche über alles spotteten und ihre
schlechten Witze machten; auch die Ahnfrau verhöhnten sie und wollten nicht
glauben, daß sie umgehe. Aber die Ahnsrau ließ sich den Spott und Hohn
nicht gefallen; denn kaum war ein Knappe mit einer Schüssel voll Speisen in
ihr Zimmer getreten, so stürzte er über seine eignen Füße und warf die Schüssel
hin. Unter Flüchen schickten sie ihn nach andern Speisen zur Küche hinab. Als
er wieder kam, hatten der Schinken und das Brot auf dem Brett sich in Stein
verwandelt, und der gebratene Truthahn erhob sich und flog davon, der Wein
aber verwandelte sich in stinkendes Wasser. Die Ritter fluchten und schimpften
noch toller als bis dahin. Plötzlich fühlten sie, wie ihnen die Sessel unter den
Füßen von unsichtbarer Hand fortgezogen wurden, und sie stürzten zu Boden,
so daß sie sich nicht wieder erheben konnten; die Kerzen gingen aus, es öffnete
sich unter schweren Donnerschlägen der Fußboden, und alle stürzten tief hinab
in ein Gewölbe, in dem sie erst am andern Tage mit halbgebrochenen Gliedern
wieder aufgefunden wurden.
Wenn fremde Kriegsvölker auf der Burg waren, ließ sich die Ahnfrau nicht
sehen; aber obwohl sie einst einem frommen Pilger, der den Mut hatte sie anzu-
reden und zu fragen, wie ihrem Geiste Ruhe verschafft werden könne, die Stelle
im Burgverließe zeigte, an der ihre Gebeine noch unbegraben auf ungeweihter Erde
schliefen; und obwohl diese dann dort fortgenommen und in geweihtem Boden
bestattet wurden, blieb sie deshalb doch noch nicht fort, sondern kam immer
wieder, bis sie endlich für immer verschwand, als die heilige Messe zum letzten-
mal in der verfallenden Burgkapelle gelesen wurde.
Löwenlierg mit dem Gröditzberge. Östlich von Lauban am linken Ufer
des Bober liegt die Stadt Löwenberg an den nordöstlichen Ausläufern des Jser-
gebirges, umgeben von fruchtbarem Ackerland. Schon 1158 war Löwenberg ein
angesehener befestigter Ort, der im Anfange des 13. Jahrhunderts das Recht
über Leben und Tod nach Magdeburger Recht erhielt. Zugleich war diese Stadt,
die jetzt über 5200 fleißige Einwohner hat, einst eine von den vielgeplcigten
Städten Schlesiens; denn im Hussitenkriege (1428) litt die Stadt durch Feuer und
Schwert; im 16. Jahrhundert sank die Einwohnerzahl durch Pest und Hungersnot
von 12 000 auf 6000 Einwohner. Noch mehr litt sie im Siebenjährigen Kriege,
bei dessen Ende sie nur 121 Familien zählte.