1884 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
128 Das Riesengebirge.
hielten fest zusammen, und nach diesen fünf Jahren hatten sich bereits 240
Personen gemeldet, eine für dieses kleine Thal nicht unbedeutende Zahl, meist
Hirten, Handwerker und Arbeitsleute, auch einige Bauern und Gutsbesitzer.
Da kam zufällig der Kaiser Franz nach Tirol im Jahre 1832. Sofort
schickten die Zillerthaler eine Deputation von drei Männern an ihn nach Inns-
brück; an der Spitze derselben stand Fleidl, der in der Geschichte der Ziller-
thaler Auswanderung eine hervorragende Rolle zu spielen bestimmt war. Sie
sollten dem Kaiser persönlich die Bitte vortragen, eine eigne protestantische Ge-
meinde in ihrer Heimat bilden zu dürfen. Die drei Männer wurden beim
Kaiser vorgelassen, der Kaiser zeigte sich persönlich human und liebenswürdig;
aber einen Erfolg hatte diese Audienz nicht, denn der Kaiser kann in diesem
Punkte nicht handeln, wie er will. Kaum hatte sich die Nachricht im Lande
verbreitet, daß Franz die Deputation gnädig angenommen und ihnen zugesagt
hatte, zu thuu, was er thun könne, so liefen auch schon Schriften bei den Staats-
behörden ein, in welchen um Abwehrung der Glanbensfpaltnng im Lande ge-
beten wurde. Nach längeren Beratungen auf dem Tiroler Landtage und in
der Hofburg zu Wien ging im Jahre 1834 den im Herzen evangelischen Ziller-
thalern der Bescheid zu, es würde ihnen anheimgestellt, in eine andre öfter-
reichische Provinz zu ziehen, in der sich bereits nichtkatholische Gemeinden be-
fänden, wie in Siebenbürgen.
Alle Bitten und Gesuche um eine Änderung dieses Bescheides blieben ohne
Resultat. Die Lage der Zillerthaler wurde von Tag zu Tag bedenklicher; die
Leute fühlten sich als Protestanten, hatten aber keinen Seelsorger, auch hatte
die katholische Kirche sie noch nicht völlig aufgegeben, ihnen nur mancherlei Be-
schränkungen auferlegt, ihnen unter andern die Ehe und das Begräbnis auf
dem katholischen Friedhofe versagt. Auch der Staat mischte sich hindernd ein
und erschwerte den protestantisch Gesinnten den Erwerb von Eigentum, die
Erteilung von Pässen und dergleichen. Ihrerseits aber hielten sich bei ihrem
lebhaften Temperament die Protestanten wohl nicht frei von Ausbrüchen des
Verdrusses und Ärgers und neckten und verspotteten ihre Widersacher, um ihrer
Erbitterung Luft zu machen. Die Lage der protestantischen Zillerthaler wurde
immer unbehaglicher, und da von oben herab in sie der Keim der Auswanderung^
idee gelegt war, so ging derselbe schnell wuchernd auf. Hat erst einmal die Un-
Zufriedenheit im eignen Heim Platz gegriffen, steckt erst einmal die Wanderlust
in den Gliedern, so ist auf die Dauer kein Halten mehr. Aber darüber waren
die in ihrer Heimat Unzufriedenen bald einig, wenn gewandert werden mußte,
so wollten sie in ein protestantisches Land gehen und es machen, wie es vor
ihnen die Salzburger gethau hatten. Sie wollten nicht wie Kranke in eine andre
Provinz desselben Reiches ziehen. Aber wohin sollten sie ziehen? Preußen
schien ihnen fast von selbst zu winken; mächtig war der Zug dorthin, wo bereits
Tausende, auch von ihren Stamm- und Blutsverwandten, eine neue Heimat ge-
fuuden hatten. Sie beschlossen also, einen Abgesandten nach Berlin an den
preußischen König zu schicken und diesem ihre Sache vorzutragen. Der Mann,
den sie sich als Boten auserlesen hatten, war wiederum Fleidl. Als dieser
Mann nach einigen Umständlichkeiten von seiten der Behörden seinen Paß er-
halten hatte, ging er im Jahre 1837 nach Berlin, wo er zunächst schriftlich,
dann persönlich bei dem Könige seine Bitte vortrug. Friedrich Wilhelm Hl