1884 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Zillerthaler. 137
damit sie den Feiertag nicht entheiligen, nicht besser gekocht als an den Wochen-
tagen; den Genuß festtäglicher Speisen verlegen sie lieber auf den Sonnabend.
Die Befriedigung ihrer Gesangeslust ist ihre beste Erholung immer geblieben;
Schnaderhüpfel und Jodellieder sind ihnen vertraut und lieb.
Da die Tiroler keine eigne Kirche haben, so liegt der Schwerpunkt des
ganzen Kolonie- und Gemeindelebens in der Schule. Hier finden auch die Ver-
sammlungen und Beratungen der Zillerthaler statt. Hier hängt ein Bild
Friedrich Wilhelms Iii., hier das Bild Fleidls, hier das Bild eines Jünglings
aus dem Dorfe in Tirolertracht, des Johannes Hirner, der am I.september 1370
durch einen Schuß ins linke Auge in der Schlacht bei Sedan fiel.
Wenn die Tiroler auch in der ersten Zeit ihrer Ansiedelung an Heimweh
nach dem schöneren Süden zu leiden gehabt haben, so haben sie es doch redlich
niedergekämpft; manche sind noch einmal zum Besuch „hinauf" gegangen, haben
mit ihren Eltern, Kindern, Geschwistern, Verwandten und Freunden wieder
Gruß um Gruß getauscht und sind beruhigt gern zurückgekommen; einer, dessen
Sohn katholischer Priestet geworden war, ist auf Bitten und Drängen seiner
Familie ganz in die alte Heimat und Kirche zurückgekehrt. Wer sonst nach
Tirol zum Besuch ging, kam wieder; denn es zog ihn nach Schlesien, nach dem
neuen Zillerthal. Im Laufe der Zeit find die Tiroler stolz auf ihr neues Vater-
land geworden, denn Vaterlandsliebe ist ein bedeutsamer Zug ihres Wesens.
Schmiedeberg. Die Schmiedeberger haben wir schon als Freunde und
Wirte der Zillerthaler kennen gelernt und wissen auch, daß in ihrer Stadt vor-
zügliche Teppiche fabriziert werden. Die Stadt hat 4350 Einwohner und liegt
an der Eglitz, die in die Lomnitz, einen Nebenfluß des Bober, fließt; sie hat
offenbar ihren Namen von dem Bergbau und Hüttenbetrieb, der in alten Zeiten
viele ihrer Einwohner nährte. Schon im Jahre 1148 soll es hier Eisenberg-
werke gegeben haben. Die St. Annenkirche daselbst soll schon im Jahre 1312
errichtet und eingeweiht worden sein. Zu jener Zeit lebte nämlich in dem damals
noch sehr kleinen Orte Schmiedeberg, der noch keine Stadtrechte hatte, ein
reicher, aber hartherziger Mann, der eine Tochter Anna hatte. Diese Anna
war ein hübsches Mädchen, das viele Freier hatte; aber es gefiel ihr von
allen jungen Männern am besten ein armer Schmiedeknappe, den aber ihr
Vater nicht als Schwiegersohn haben wollte. Der finstere Mann wollte nur
einen reichen Schwiegersohn und verbot deshalb dem armen Jüngling sein Haus.
Anna betete inbrünstig zu ihrer Schutzheiligen, sie möchte ihr Hilfe und Rettung
schaffen. Da sah sie einst die Heilige im Traume und hörte sie sagen: „Stehe
auf und nimm den Hammer deines Geliebten und gehe mit ihm in die Berge
den Grund entlang; und wo der Hammer zur Erde fallen wird, da wird er
sich in Gold verwandeln. Als sich diese Erscheinung dreimal in drei aufeinander-
folgenden Nächten wiederholt hatte, schenkte sie ihr Glauben, stand mit der
Sonne auf, rief ihren Geliebten, forderte ihn auf, feinen Schmiedehammer zu
nehmen, und ging mit ihm in die Berge. Die Jungfrau trug den großen Hammer.
Als sie aber eine Strecke gegangen war, wurde ihr die Last so schwer, daß sie
dieselbe fallen ließ; doch der Hammer blieb Eisen. Als der Jüngling aber das
Gestein näher untersuchte, fand er so gewaltige Eisensteine, daß er sich eine
reiche Ausbeute versprach. Die Bergleute gruben an der bezeichneten Stelle
und fanden eine gute Ader, so daß die Grube bald die reichhaltigste in der