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1. Bilder aus dem Gebirge und Berglande von Schlesien und den Ebenen in Posen von der Oder bis zur Weichsel - S. 392

1884 - Leipzig : Spamer
392 Land und Leute im Großherzogtum Posen. selbstgewirktem Zeuge, in dem schmutzigen Schafpelze, den er im Winter trägt, in dem ungeordneten, langen Haupthaare und schlecht gepflegten Barte empfiehlt er sich nicht. Im allgemeinen steht er auf sehr niedriger Bildungsstufe. In der Jugend hat er sich nur die notdürftigsten Kenntnisse angeeignet. Je älter er wird, desto mehr entfchlägt er sich der Kunst des Lesens und Schreibens, die er sich einst hat widerwillig aufdrängen lassen und von der er keinen Gebrauch zu machen weiß. Aber die polnischen Bauern sind ein kräftiger, leiblich und geistig gesunder Menschenschlag von unzweifelhafter Kulturfähigkeit und, wie es scheint, dazu bestimmt, von sich aus ihre Nation zu verjüngen, abgestorbene Glieder zu ersetzen, krankende mit frischen Säften zu versorgen. Der Bauer ist freier Eigentümer seiner Hufe; die ehemaligen Lasten und Dienste sind beseitigt. Was sich jetzt noch dem Aufblühen des Bauernstandes entgegenstellt, ist Haupt- sächlich der aus feiner Vergangenheit überkommene Mangel an Trieb zur Thätigkeit, ferner seine Bedürfnislosigkeit, die ihn lehrt, mit einem geringen Erwerbe zufrieden zu sein, endlich die Zähigkeit, mit welcher der Bauer überall an veralteten, unzureichenden Grundsätzen des Wirtschaftsbetriebes festhält. Nicht mit einem Schlage konnte aus dem Leibeignen ein thätiger Landwirt werden; aber die Macht der Trägheit wird immer mehr weichen, der Ertrag und der Wert der Grundstücke Posens stetig zunehmen. Wenig Ansprüche macht der Bauer in bezug auf seine Wohnung. Ein Besitzer von 70 und mehr Morgen Land bewohnt oft einen unter niedrigem Strohdache aus Lehm kunstlos errich- teten Bau, in dem wir nicht immer den Luxus eines gedielten Fußbodens finden; einige roh gearbeitete Stühle, ein Tisch, eine große Lade, zuweilen eine Kommode sind ausser den Betten das einzige Gerät; die Wände sind mit wenigen grob gemalten Heiligenbildern geschmückt. Die Wirtschaftsgebäude sind meist bau- fällig, gegen Wind und Regen schlecht verwahrt, mit Stroh gedeckt und aus Lehm errichtet. Der meist enge Hof, in dem die Geräte durcheinander liegen, gewährt kein Bild von Ordnung. Oft muß man erstaunen über die Dürftigkeit der Saat auf fruchtbarem Boden, eine Folge schlechter Düngung und Bestellung. Der Viehstand beschränkt sich auf die notwendigsten Tiere, die nur geringen Ertrag liefern. Die Pferde fehen zwar klein und schwächlich aus, werden aber meist nicht schlecht gefüttert und sind den Anstrengungen, die ihnen zugemutet werden, vollkommen gewachsen; denn der polnische Bauer schont seine Pferde nicht, er liebt schnelles Fahren selbst auf holperigen oder von Regen und Schnee aufgeweichten Wegen. Das Gemütsleben des polnischen Bauern steht im Einklänge mit feiner traurigen Vergangenheit, mit den Ebenen des Landes, mit dem unfreundlichen Aussehen der schattenlosen Dörfer, mit der dumpfen Luft der engen Wohnungen, in denen er nach harter Feldarbeit im Sommer den langen Winter hindurch träge hinbrütet. Da ertönt selten ein munteres Volkslied, ein kräftiges Sol- datenlied. Nur im Rausche legt der Bauer seine friedliche Gesinnung ab: da läßt er sich zu Händeln und Gewaltthätigkeiten herbei, die nicht in seiner Natur liegen. Er ist meist bedächtig und vorsichtig, oft aber auch im Gegensatz hierzu leichtblütig und sorglos. Bei der Verheiratung werden die künftigen Existenz- mittel in Erwägung gezogen, und da gibt es oft ein Handeln und Bieten, das freilich dem ehelichen Glücke später keinen Abbruch thut. An eine Verbesserung seiner Lage denkt der Bauer wenig. Er ist zufrieden, wenn sein Grundstück ihn
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