1884 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Betscher Gauner. 433
Gegenständen vergeblich, bis ein am Fenster stehender Blumentopf die Auf-
merksamkeit eines Beamten auf sich zog. Der Topf wurde zerschlagen und es
fanden sich in einem Läppchen in der Erde 29 doppelte, 15 einfache und 12
halbe Friedrichsdor Geld, das nach der Aussage des Löwenthal schon lange
dort von ihm aufbewahrt wurde. Weil nun schon mehrere Thatsachen gegen
Löwenthal sprachen, wurde er, seine Frau, sein Sohn und sein Dienstmädchen
verhaftet. Weitere Nachsuchungen brachten eine Börse mit 64 Lonisdor zum
Vorschein, von denen der bestohlene Qnästor einige als ihm entwendet erkannte,
und einen Nachschlüssel, der in einem Vogelbauer versteckt war und der, wie sich
bald herausstellte, das Gewölbeschloß in der Quästur öffnete. Als der Gefangene
einsah, daß ihm kein Leugnen seine Freiheit wiedergeben würde, daß zu viele
Thatsachen gegen ihn sprachen, da gestand er ein, daß er einer wohlorganisierten
Diebesbande angehöre und gestehen werde, wenn ihm Ungestraftheit zugesichert
würde. Die Behörden waren anfänglich wohl im Zweifel, ob einem so ge-
fährlichen Menschen ein solches Zugeständnis gemacht werden könne. Da man
aber kein Mittel fand, der Diebe habhaft zu werden, so wurde dem Löwenthal
Begnadigung versprochen, wenn er alles gestände und jeden Dieb namhaft machen
würde. Nun gestand Löwenthal, daß er eigentlich ein Nepper, d. h. ein Be-
trüger, sei, erst 1828 ein Gannew, d. h. ein Dieb, geworden sei und sich einer
Chawrusse, d.h. einem Diebesverein, angeschlossen habe und bei 37 Diebstählen
beteiligt sei. Nenn sehr gefährliche Diebe wurden von ihm namhaft gemacht
und von der Polizei verhaftet, er selbst in Freiheit gesetzt.
Unter den Verhafteten befanden sich auch zwei Polizeivigilauteu, Jonas
und Rosenthal. Solche Vigilanten sind Menschen, die meist wegen Diebstahls
mehrere Male bestraft worden, dann aber in den Dienst der Polizei getreten
sind, um ihr beim Auffinden der Diebe behilflich zu sein; sie bekommen, wenn
sie Diebe aussindig machen, für ihre Thätigkeit vom Staate eine Vergütigung;
ihre Dienste sind, weil solche Menschen mit den Schlichen der Diebe am besten
bekannt sind, oft von großem Nutzen.
Die Gauner wußten Rosenthal und Jonas allmählich auf ihre Seite zu
ziehen, so daß diese zwar meist nicht persönlich stahlen, aber die Aufmerk-
samkeit der Polzei von den Dieben ablenkten und für diesen Dienst einen Teil
der Beute erhielten. Rosenthal verstand sich außerdem vorzüglich auf das
Baldowern, d. h. er wußte Gelegenheiten zum Stehlen auszukundschaften und
diese den Gaunern anzugeben. Leider konnte die Polizei mit den Verhafteten
nichts anfangen, da kein einziger gestand, und schon war man nahe daran, die
Menschen frei zu geben, als Mißgunst eines Gefangenen die Angelegenheit in
ein andres Fahrwasser brachte. Wohlauer nämlich wußte, daß er von Löwenthal
verraten worden und daß dieser für den Verrat in Freiheit gesetzt war; zugleich
war es ihm nicht unbekannt geblieben, daß der Angeber nur unter der Be-
dingung eines vollständigen Bekenntnisses begnadigt war, dieser aber einige
Diebe aus seiner Verwandtschast verschwiegen hatte. Nun wünschte anch er die
Freiheit zu erhalten, wenn er alles entdecken würde. Als ihm dies nicht ge-
währt wurde, rächte er sich an Löwenthal, indem er erklärte, daß dieser kein
vollständiges Bekenntnis abgelegt habe. Der entlassene Schuft und andre Diebe
wurden eingezogen. Wiederum gestand niemand; vor allen Dingen leugnete
der Vigilant Rosenthal, auf dessen Aussage alles ankam, hartnäckig. Wohlauer
Deutsches Land und Volk. Viii. 23