1884 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Kruschwitz und der Mäuseturm am Goplosee. 445
ihm zu erzählen. Er starb zu Anfang des 9. Jahrhunderts und hinterließ
einen einzigen Sohn, der nach ihm Popiel hieß.
Als der ältere Popiel starb, war der junge Fürst, der auf den Thron
erhoben wurde, noch nicht mündig; erfahrene Männer führten für ihn die Re-
gierung. Je mehr Popiel Il heranwuchs, desto unbequemer wurde ihm strenge
Zucht und Sitte, desto niedriger sein Sinn; für weise Lehren hatte er kein Ohr,
Warnungen waren ihm lästig, wackerer Männer Gesellschaft mied er, in träger
Ruhe, leichtfertigem Spiel, üppigen Tänzen und wilden Gastmählern lebte er
dahin, zum Waffenhandwerk zeigte er keine Lust. Seine Ratgeber hofften, wenn
er sich vermähle, würde er auf den Pfad der Tugend zurückkehren; aber sie
hatten sich getäuscht, denn die Gattin bestärkte den Fürsten in seinen Lastern,
da Ehrgeiz, Habsucht, Herrschsucht und Tücke sie zu jeder Schandthat fähig machten.
Ihr waren die verständigen Männer, die einst den jungen Fürsten bevormundet
hatten, noch lästiger als ihm; sie wirkte Tag und Nacht auf den Gemahl ein
und suchte ihn zu dem Entschluß zu führen, daß er sie aus dem Wege räume.
Der Mäuseturm am Goplosee.
Popiel ließ sich von dem ränkesüchtigen Weibe leiten, er heuchelte Reue, schluchzte
und seufzte und wußte die Greise zu täuschen. Sie nahmen, ohne an Arglist
und Falschheit zu denken, den mit Gift gefüllten Becher und kamen alle um.
Freilich siel der Verdacht des Mordes auf Popiel und sein schändliches Weib;
aber wer hätte gewagt, diesen Verdacht auszusprechen?
Die Sterne des Vaterlandes waren untergegangen; die Mörder freuten
sich des gelungenen Frevels und erdreisteten sich, den Greisen schnöden Verrat
und Verschwörung nachzusagen. Das Land zitterte in Schrecken vor der Wut
und Grausamkeit des Tyrannen, der sich nun ungehemmt seinen wilden Lüsten,
seinen sittenlosen Begierden, der Roheit seiner entarteten Natur überließ.
Doch in nicht gar langer Zeit überraschte den Bösewicht mitten in seinen
Freveln die Rache des Himmels. Der König saß beim schwelgerischen Mahle.
Da stürzen mit Entsetzen die Diener in den Saal und berichten, aus den Leichen
der gemordeten Greise seien unzählbare Scharen von Mäusen hervorgekrochen,
eine unermeßliche Flut dieser entsetzlichen Tiere erfülle Hof und Schloß. In
alle Zimmer drangen die Mäuse, auch in den Speisesaal kamen sie. Umsonst