1884 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
462 Im Regierungsbezirk Bromberg.
aus. Der Zauber gelaug vortrefflich, bald lag der Körper des alten Starosten
frisch und verjüngt da, aber Leben konnte Matthias ihm nicht zurückgeben;
denn die Seele war ihm entwichen, weil er das Gefäß, in das er sie gesperrt,
nicht luftdicht verschlossen hatte. Er versuchte zu fliehen, aber die Flucht miß-
lang; der Schwarzkünstler wurde von den Richtern zum Flammentode verurteilt.
Das Begräbnis des Starosten fand mit großem Gepränge statt; hinter
dem Sarge schritt, mit Eisenketten beschwert und eine brennende Fackel in der
Hand, Matthias einher, der schon nach wenigen Tagen den Scheiterhaufen be-
steigen sollte. Nun bereute er seiue böse That und hatte im Gefängnis Sehn-
sucht nach einem Priester. Ein Geistlicher von ärmlichem Aussehen, als wäre
er ein Bettelmönch, erscheint in der dunklen Zelle, und ihm bekennt Matthias
sein Unrecht. Aber ein höhnisches Gelächter erscholl unter der Kutte bei dieser
Anklage, denn Pan Twardowski hatte sich unter dem Gewände des Mönches
in die Zelle geschlichen. „Willst du mir treu sein, alle meine Befehle genau
vollziehen, so rette ich dich", sagte Twardowski. „Das schwöre ich Euch", eut-
geguete Matthias „ich will Euch nie verlassen, Euer Diener, Euer Sklave, Euer
Hund will ich sein." Der Zauberer nahm den Diener bei der Hand, öffnete
das Pförtchen, und beide verließen die Zelle. Die Wache that ihnen nichts.
Als Matthias nach kurzer Zeit von dem Fenster eines Hauses auf den Markt-
platz hinausschaute, sah er, wie er — in zweiter Gestalt zum Holzstoß geführt
wurde, während er selbst gerettet und gesichert war. Der Diener des Zauberers
weinte aus Rührung über seinen Doppelgänger, wunderte sich aber nicht wenig,
als er sah, wie sich der vermeintliche Missethäter auf dem Holzstoß in ein
Bund Stroh verwandelte und alles Volk, über dieses Wunder entsetzt, sich be-
kreuzte und die Flucht ergriff.
Nachdem Twardowski längere Zeit in Bromberg zugebracht hatte, kehrte
er nach Krakau zurück und begann wieder sein einsiedlerisches Leben. In dem
Bewußtsein, alle Macht und alles Wissen zu umfassen, fühlte er sich nicht glücklich.
Der Gedanke quälte ihn, daß er die Welt noch nicht genossen habe und nun zu
alt und abgelebt sei, um sie noch genießen zu können. Arbeit und Sorge hatten
sein Haar gebleicht und ausfallen lassen, seine Augen waren von Ringen um-
geben, seine Wangen eingefallen wie altes Pergament, seine Haltung hinfällig
und gebückt. Er rief seinen treuen Diener herbei und sagte ihm, daß er ihn
verjüngen solle. Der Zauberer gab die sorgfältigste Unterweisung, beschrieb
jede Zeit, jede Salbung, jedes Mittel aufs genaueste. Drei Jahre, sieben Monate
und sieben Tage wollte der Zauberer im Grabe ruhen, nachdem er in bestimmter
Reihenfolge sieben Tage mit sieben Salben und Kräutern zur Zeit des Neu-
mondes in schlafendem Zustande gesalbt war. Unter dem Schein von sieben
aus Leichenfett bereiteten Kerzen war der Körper auszugraben. Die Verjüngung
gelang. Aus dem geöffneten Sarge dufteten Blumen dem Diener entgegen, in
die sich die Hobelspäne verwandelt hatten, und in den Blumen lag ein kleiner
Knabe, der in wenigen Tagen zum kräftigen Jüngling gedieh.
Für Twardowski begann ein neues Lebeu. Er bezog ein großes Haus,
mietete zahlreiche Dienerschaft, richtete das Haus so prachtvoll ein, daß es von
Gold und Silber strotzte, versorgte seinen Keller mit edlen, feurigen Weinen,
seinen Marstall mit den prächtigsten Pferden und besorgte sich aus Deutschland
kostbare Kutschen. Die Bücher blieben bestaubt im Winkel liegen. An Freunden