1882 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Friedel, Ernst, Lüders, Hermann, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von, Schwebel, Oskar
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Berliner Baumeister und Bildhauer.
In diese Periode fallen vier für Berlins bauliche Verhältnisse
wichtige Momente: die sogenannte Gründerzeit, der „Krach", die
Uebertraguug fiskalischer Baurechte auf die Stadtgemeiude und
die Aenderung der Baugesetzgebuug.
Die beispiellosen kriegerischen Erfolge Deutschlands, das Erwachen eines
wirklichen deutschen Nationalbewußtseins, die unversiegbar erscheinenden fünf
Milliarden Fraueskriegsentschädigung, das Gefühl, daß auf längere Zeitruhe und
Friede herrschen würden: alle diese Umstände zusammen erweckten die hochfliegend-
sten Spekulationen, die sich in Berlin u. A. iu einer fieberhaft zu nennenden Bau-
thätigkeit äußerten. In dem soeben (Ende 1880) erschienenen, vom Magistrat
Heransgegebenen großen amtlichen Werk: „Bericht über die Gemeindeverwaltung
der Stadt Berlin in den Jahren 1861 —1876" heißt es bei Besprechung
dieser Zustünde: „Es war eine durch den Lnxns einzelner zu schnellem Reich-
thnm gelangter Kreise, durch die bei leichter Kreditgewährung und zeitweilig
rascherem Konsum rastlos ausgedehnte Produktion in ihren Wirkungen noch
gesteigerte Folge der Verminderung des Geldwerthes, daß auf der einen Seite
die Löhne der Handarbeit eine Höhe erreichten, welche für die Arbeiter eine
starke Versnchuug zu Uebermnth und Verschwendung wurde; daß andererseits
jene Epoche des leichten Verdienstes an der Börse, bei der Lohnarbeit, beim
Handel, insbesondere auch bei dem Handel mit Grundstücken für die auf feste
Renten und Besoldungen Angewiesenen, bis zu der — naturgemäß erst
nach einiger Zeit, wenigstens für die Beamten eintretenden — Ausgleichung
eine Zeit der Sorgen und Bedrängnis; war. die besonders in der „Wohnungs-
uoth" zur Erscheinung kam." Das massenhafte Hinzuströmen der Bevölkerung
erzeugte in der That trotz der Banwnth Wohnungsnoth; die ebenso Massen-
Haft auf den Markt geworfenen Kapitalien und imaginären Papierwerthe die
Vorstellung von allgemeinem Reichthum, der sich vor Allem auch letzterem eut-
sprechende Paläste aneigne» und industrielle Monumentalbauten schassen wollte.
Wenige Jahre, die denkwürdige, sogenannte Gründerzeit, genügten, um
auf diese Weise die Physiognomie Berlins durch Prachtbauten zu verändern,
bei denen mit kostbareren Baumaterialien, Marmor, Granit, Sandstein, franzö-
sischem Kalkstein, Porphyr u. s. f., nicht geknausert und auch auf die stilistische
Ausstattung Unsummen verwendet wurden. Auf 792 Rohbauabnahmen im
Jahre 1870 folgten im Jahre 1871: 1134, im Jahre 1872: 1466, im Jahre
1873 nicht weniger denn 2148, alfo der gesammte Häuserbestaud eiuer mitt-
leren deutschen Stadt!
Auch der mit einem aus Wien entlehnten Ausdruck „Krach" bezeichnete
Rückschlag, den Einsichtige schon in der besten Zeit der Gründerperiode voraus-
geseheu hatten, hat dem privaten Prachtbau keiueu so namhaften Abbruch gethau,
wie man erwarten sollte. Denn das Vertrauen, welches die Krone in die Stadt-
gemeinde setzte, als sie, wie schon in Kap. 1 angedeutet, derselben das ge-
sammte bis dahin fiskalische Eigenthum der Straßen, Plätze und
Brücken und dem Oberbürgermeister die Ausübung der bis dahin vom
königlichen Polizeipräsidium wahrgenommenen Straßenbaupolizei vom
1. Jan. 1876 ab übertrug, konnte nur in höchstem Maße ermuthigend auf die
Bürgerschaft einwirken. Selbst das neue preußische Bebauungsgesetz vom
2. Juli 1875 und die auf Grund desselben erlassenen zwei Bebauungs-Ortsstatute