1882 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Friedel, Ernst, Lüders, Hermann, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von, Schwebel, Oskar
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
102 Gewerbe und Verkehr. Handel und Wandel.
Auf dem Schloßplatz stand, wie wir schon früher beschrieben, eine Kloster-
kirche der Dominikanermönche mit drei gleich hohen Schiffen in stattlichem,
gewölbtem Backsteinbau, um 1280 erbaut, welche, durch Kurfürst Joachim El
zu einer Kreuzkirche mit hohen Giebeln und Thürmen 1536 umgebaut, zur
Gruftkirche der Hohenzollern bestimmt und mit einem Domstift ausgestattet
wurde. Da diese älteste Domkirche allmählich baufällig wurde und dem Ver-
kehr vom Friedrichswerder über die Kurfürstenbrücke nach Alt-Berlin hindernd
im Wege staud, so wurde sie unter Friedrich dem Großen im Jahre 1749 ab-
gerissen und dabei die Ueberführung der fürstlichen Leichen nach dem neuen
Dom zwischen der alten Börse und dem Schlosse angeordnet, der erst in diesem
Jahrhundert ausgebaut worden ist. um hoffentlich nunmehr bald einem ganz
neuen. Berlins würdigen Dom Platz zu machen. Bei dieser Ueberführnng
sind übrigens die Särge und sterblichen Reste der Kurfürsten Johann Cicero's
und Joachim's Ii. verfchwundeu.
Dem pietätvollen und historischen Sinne des Kronprinzen Friedrich Wil-
Helm entsprach es, mittels einer ausgedehnten Ausgrabung des Schloßplatzes den
Versuch zur Wiederauffindung jener Ahnen zu macheu. Siud die Letzteren anch
nicht gefunden worden, so ist doch ein tiefer und neuer Einblick in das längst
vergrabene unterirdische Berlin gemacht und mancher kulturgeschichtlich interessante
Ueberrest der grauesten Vorzeit noch unter den Kellern und Fundamenten der
alten Klosterkirche der Schwarzeu Brüder ausgefnudeu worden. Bei solchen
Erddnrchschnitten tritt nun jedesmal ein seltsames Gewirr von neuerlichen An-
lagen der Tiefstadt Berlin ans Tageslicht; da sind alte Entwässerungsanlagen,
welche durch die neueste Kanalisation entbehrlich wnrden. Alsdann fallen die
mächtigen Bauten der Hobrecht'schen Entwässerungsanlage außer durch ihre
riesigen Verhältnisse durch ihren sonderbaren — nach unten zu spitzeren — ei-
sörmigen Durchschnitt in der gähnenden Tiefe auf, daneben oder darüber liegen
die eisernen oder thöneren Rohre der neuen Wasserleitung, die Röhren der Gas-
werke, die eigentümlich gestalteten Führungen der Rohrpost und ein wahres
Wirrsal von Telegraphen und Telephonkabeln, welche der Post, dem Polizei-
Präsidium, dem Kriegsministerium, der Stadtverwaltung und wer weiß welchen
anderen Interessenten angehören.
Immer mehr verlangt der Verkehr dergleichen unterirdische Leitungen, und
immer schwieriger wird die Beschaffung des Platzes. Da ferner trotz aller
Sorgfalt bei der Beschaffung des Materials und bei der Ausführung immer
von Neuem wieder Betriebsstörungen vorkommen, so wird anch fortgesetzt ein
störendes und kostspieliges Aufreißen des Dammes oder Bürgersteiges nothwendig,
im die Schäden auszubessern. Schon muß man sich die Frage auswerfen, ob es
nicht gerathen sein wird, die Straßen gänzlich zu unterkellern und in die ent-
stehenden Hohlräume alle jene Leitungen so, daß sie durch Einsteigeschächte zu-
gänglich werden, zu verlegen. Zwar hätte man hier mit dem Frost und beim
Undichtwerden von Gasröhren mit einer Explosionsgesahr zu kämpfen, welche
letztere, wie ein schrecklicher Vorgang zu London im Jahre 1380 gezeigt hat,
ganze Straßen und Häuserreihen mit Tausenden von Menschen wie ein Erd-
beben mit plötzlicher Vernichtung bedrohen kann. Vielleicht ist aber, wenn es
zur Unterkellerung der Straßen kommt, das bereits altmodische und verräterische
Leuchtgas schon längst durch das elektrische Licht beseitigt.