1882 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Friedel, Ernst, Lüders, Hermann, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von, Schwebel, Oskar
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Aus der Glanzzeit des Berliner Theaters. 155
Die Berliner im Ganzen hielten die schöne Henriette als den Ausbund
aller Vortrefflichkeit. Dieser Sontags-Enthusiasmus steckte die höchsten Kreise,
die ältesten Herren, Staatsmänner und Gelehrte an. Es soll vorgekommen
sein, daß hohe Beamte, Kammergerichtsräthe u. s. f., die mit Namen bezeichnet
wurden, den Triumphwagen der schönen Primadonna aus der Bühne keuchend
und schwitzend zogen, nur um ihr, während des Spiels, nahe sein zu können,
also eine Arbeit verrichteten, zu der man sonst stämmige Grenadiere heranzog.
Ungeheures Aufsehen erregte daher eine satirische Broschüre: „Henriette,
die schöne Sängerin" (Leipzig 1827), welche den Sontags-Tanmel geißelte,
dem Verfasser aber „als Pasquillanten" mehrere Monate Gesängniß einbrachte.
Das königliche Opernhaus.
Dies schadete indessen dem Autor, einem früheren Artillerieoffizier und alsdauu
Redakteur der Vossischen Zeitung, dem beliebten Schriftsteller Ludwig Rell-
stab, so wenig, daß er vielmehr von da ab und für lange Zeit als der jour-
ualistische Löwe des Tages in der Metropole der Intelligenz galt.
Welche Trauer, als die göttliche Sängerin, die sich inzwischen mit dem
sardinischen Geschäftsführer im Haag, Grafen Rossi, vermählt hatte, Berlin
den Rücken wandte! Jedenfalls hat das Königstädtische Theater den Verlust
seiner Diva nicht zu überwinden gewußt; es schleppte sein Dasein noch bis 1848
hin, um in den damaligen allgemeinen Wirrnissen schließlich zu verschwinden, wie
dies mit dem echten Berliner Theaterenthusiasmus schon seit Jahren geschehen war.