1882 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Friedel, Ernst, Lüders, Hermann, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von, Schwebel, Oskar
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
270 Die märkischen Elbgegenden.
in seinem Vaterlande. Wie Gottschalk seine Heimfahrt bewerkstelligt hat, ob
er mit Ratibor gekämpft, ob und mit welchen Zugeständnissen er sich dänische
und deutsche Hülfe erkauft hat — alle diese Fragen lassen sich in heutiger
Zeit nicht mehr beantworten.
Daß eine glorreiche Wirksamkeit jetzt aber von diesem wendischen Fürsten
entfaltet wurde, geben neidlos alle Quellen zu. Ein großes christliches Slaven-
reich schwebte der hochstrebenden Seele dieses Mannes als höchstes zu erreichendes
Ziel vor. Wie sich seine Stellung an dessen Spitze zum Deutschen Reiche ge-
stalten würde, scheint Gottschalk der Zukunft überlassen zu haben. Ein unge-
ahnter Erfolg schien Anfangs seiner rastlosen Wirksamkeit dem großen Fürsten
zu lohnen. „Nie ist hier", so sagt der weise und gute Adam von Bremen,
„ein Mann mächtiger gewesen, noch eifriger fitr die Verbreitung des christlichen
Glanbens als Gottschalk." Im Geheimen aber sann die national-slavische
Partei darauf, ihm ein blutiges Ende zu bereiten.
Die Kirche zu Lnnkini oder Lenzen mochte damals wol ein hölzernes Ge-
bände sein, ohne jeden weiteren Schmuck als den des Kreuzes und der heiligen
Geräthe auf dem Altar. Am 7. des Heumondes im Jahre 1066 aber barg
sie trotz ihrer Unansehnlichst die Schar der Edlen Gottschalk's, welche hier-
mit ihrem Fürsten dem von dem Priester Jppo gehaltenen Gottesdienste lauschten.
Plötzlich unterbrach wilder Lärm das Hochamt; die Thür der Kirche ward auf-
geriffeu und herein stürzte die Rotte der Mörder. Ein Schwager Gottschalk's,
der Wende Plnsso, führte sie. Das Werk der Vernichtung des Kreuzes war
bald genug gethan; am Fuße des Altars lag der größte Sohn des Wendenvolkes
hingestreckt, und „geschlachtet" ward der Priester Jppo auf der Platte des
Altars von Lenzen. Es sollte beinahe noch ein Jahrhundert vergehen, ehe das
Kreuz hier dauernd aufgerichtet wurde.
Land und Leute in der Wriegnitz; Städte, Ädef, Stifter.
Großartige Geschichte ist es demnach, die hier am märkischen Elbufer uns ent-
gegentritt. Sicherlich hat diese herrliche Provinz des alten Staates Branden-
bürg, dies „Uferland" oder „überschwemmte Land", dies „Vorland der Mark"
— denn so ist das Wort Priegnitz gedeutet worden — seine glückliche Gegen-
wart. Der Boden ist allenthalben wohl bestellt oder mit Wiesen und Waldungen
bedeckt; nur zwischen Wittstock und Zechlin, bei dem Dorse Schweinrich, findet
sich eine Sandwüste, wie sie so trostlos kaum irgendwo in dem Lande zwischen
Elbe und Oder sich nachweisen lassen wird. Das Volk der Priegnitz ist arbeitsam
und zufrieden; mehr als anderswo in der Mark tritt hier dem Fremden Ruhe
und Behäbigkeit in öffentlichem und privatem Leben entgegen; der Priegnitzer
zeigt sich dem Gaste gern als ein Freund von guter Küche und wohlbestelltem
Keller. Gewiß haben diese Elblande noch ihre glückliche Zukunft; man erhofft
dieselbe von einer Vermehrung der durch die Prieguitz führenden Schienenwege.
Allein, übereinstimmend mit dem konservativen Zuge im Volke, welcher hier
überall stark zu Tage tritt, ist die Priegnitz die klassische Landschaft für die
Vergangenheit der Mark, für alte Feudal- und Klosterherrlichkeit!
Denn die Städte der Priegnitz gehen zurück. Sie haben sich viel des
Altertümlichen bewahrt. Dieses Wittstock mit seinen zerbröckelnden Mauern,
dieses Perleberg mit seinem Rolande, dieses Pritzwalk mit seiner mächtigen Kirche,