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1. Bilder aus der Mark Brandenburg, vornehmlich der Reichshauptstadt - S. 406

1882 - Leipzig : Spamer
406 Die Spree und die Spreelandschaften. Von Zeit zu Zeit läßt sich nach der Sage auf den Müggelbergen ein Getöse von Jagdhörnern, ein Gebell von Hunden, unterbrochen von Peitschenknall und Hollahrufen hören; — der Sturmgott Wodan, der unermüdliche Jäger der Wolken, zieht über sein Liebliugsrevier hin, und seine Geißel trifft mit schwerem Schlage der Bäume Wipfel, daß sie lange noch zitternd stehen. Viel grausiger aber ist der Spuk am Teufelssee. Der liegt am Nordabhauge eines der letzten Berge ties im Waldesdunkel. Ja, wenn die Sonnenstrahlen ihn küssen, wenn ein blauer Himmel über ihm lacht, dann schlafen die unheimlichen Wesen in seiner Tiefe; in der Herbstesnacht aber erwachen auch sie und treiben ihr lichtscheues Wesen. Denn auf dem Grunde des Tenselssees steht ein ver- zanbertes Schloß, und seiner Bewohnerin, einer verwunschenen Prinzessin, ist die Macht gegeben, die Leute zu äffen und zu quälen. In der Mondnacht — oder auch am hellen Mittage, namentlich an St. Johann des Täufers hoch- gebenedeitem Tage — siehst du sie sitzen an des Wassers Rand; sie strählt das köstliche, flachsblonde Haar. Oft, so erzählen die Fischer, hat sie weinende Kinder, die sich im Walde verirrt hatten, in die krystallene Tiefe des Sees mit hinab- genommen, sie reich mit Gold und edlem Geschmeide beschenkt und dann entlassen. Wer aber einmal dort tief unter den Wassern gewesen, den leidet es nicht mehr oben in der Sonne hellem Schein; er muß wieder hiuab, er stirbt vor Sehnsucht. Indessen nicht allein in holder Gestalt erscheint die Prinzessin der Müggelberge. Oft auch kommt sie als ein altes Mütterchen, keuchend und hustend, an ihrem Stabe hinter dem großen Steine hervor, welcher unfern des Teuselssees liegt. Dann trägt sie ein Kästchen mit lauterem Golde in der Hand, welches sie ihrem Erlöser bestimmt hat. Dies Kästchen zu erringen, hat gar Mancher schon versucht. So ein Fischer aus Köpenick. Im Traume war ihm die Offenbarung geworden, er brauche die Prinzessin, um sie vom Baune zu erlösen, nur nach Köpenick zu bringen und dreimal um die dortige Kirche zu trageu. Herzhaft nahm er die Unselige aus den Rücken, denn sie war federleicht; rüstig schritt er mit ihr der Stadt zu. Aber je weiter er kam, desto schwerer wurde ihm seine Last. Als er nun gar, mnthig ausharrend, den Umgang um die Kirche unternahm, da erschienen plötzlich Schlangen und Kröten, und Ungeheuer aller Art umringten ihn, um ihn in seinem Vorhaben irre zu machen. Ein Ritter ohne Furcht und Tadel, schritt er jedoch seinen Pfad weiter. Plötzlich aber erhellte grelle Feuersglut den nächtlichen Himmel: ganz Köpenick schien in Flammen zu stehen. Da blickte er, dem ihm ausdrücklich gegebenen Verbot zuwider, rückwärts; aber im Augen- blick war Alles verschwunden, und ein heftiger Schlag raubte ihm das Leben. Aehnliche Spuksagen von der „Prinzessin und der weißen Frau" werden in der Umgegend der Müggelberge vielfach erzählt. Sie sind, wenn man sie wissenschaftlich prüft, nichts Anderes, als die Nachklänge der Verehrung jener großen, schätzebergenden Erdenmutter, deren Kultus sich bei allen indogerma- nischen Völkern sindet und die als Freya, Holda oder Nerthns auch den sem- nonisch-langobardischen Bewohnern der Müggelgegenden einst heilig war. Hier in der wasserreichen Landschaft haben aber natürlich neben den Erdgeistern auch die Wassergeister ihre Macht. Den Nachkommen jener wendischen Fischer, welche mit den übermenschlichen Bewohnern des Wassers einst in so trautem Verkehre standen, erscheinen die Geister der Tiese noch heute in freundlichem Lichte.
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