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1. Bilder aus den deutschen Alpen, dem Alpenvorlande und aus Oberbayern - S. 60

1878 - Leipzig : Spamer
60 Sprache, Stämme und Mundarten. Die natürlichste Unterscheidung der Mundarten ist nach den alten Stäm- wen, welche die Eigenthümlichkeiten unseres Volkswesens vertreten; aber außer den Hauptdialekten der Volksstämme haben sich in verschiedenen Gegenden durch die Verbindung mit anderen Elementen, durch Vermischung der Mund- arten unter einander und den Verkehr in größeren Städten noch besondere Unterdialekte gebildet, sodaß sich eine ziemlich bunte Mnsterkarte der verschie- denen Dialekte zeichnen ließ. Sachsen, Friesen, Franken, Thüringer, Bayern und Schwaben — das sind die edlen, kräftigen Stämme, die Säuleu, aus denen unser deutsches Volksthum ruht, jeder einzelne Stamm stattlich von Wuchs, reich vou Entsal- tung, eigentümlich von Art. Von den Mündungsarmen des Rhein bis zur Elbmündung und weiter hinauf uach Schleswig, theils aus den Marschen und Mooren der Küste, theils auf wogenumranschteu Eilanden, wohnt der Fries en seetüchtiger Volksstamm, abgehärtet und an Gefahren gewöhnt im Kampfe mit Sturm und Flut, gegen die sie ihren Boden Jahrhunderte hindurch vertheidigeu mußten und mit mäch- tigen Wällen schützten. In diesem Kampfe hat sich ihr Charakter gebildet, ernst und schweigsam, hartnäckig und zähe, mäßig und nüchtern, deu Künsten abhold, voll Freiheitsstolz und Selbstgefühl. Es dauerte lauge, ehe sie eiue andere Obrigkeit über sich erkannten, als Kaiser und Reich. „Ela, sria Freseua!" {Edler, freier Friese!) hieß der alte, stolze Frieseugruß. Unweit Aurich in Ost- friesland liegt noch der Hügel, genannt „der Upstalsboom", der ihre Freiheits- schwüre gehört, so oft ein Graf ihre Unabhängigkeit bedrohte. Hier versammel- ten sich jährlich die Abgeordneten der sieben friesischen Seelande; hier wählten sie die Richter, welche dem Gesetze schwuren, und die „Talemäuuer", welche für die Rechte des Volkes zu wachen hatten. Niemals haben sie der Geistlich- lichkeit den Zehnten gegeben, niemals einen unbeweibten Priester in ihrem Lande geduldet. Priester und Pfaffen kommen auch in ihren Sprüchwörtern schlecht weg: ,,'t Best iu 't Middeu, sä de Düwel, da leep se tusken twee Papeu." <Das Beste in der Mitte, sagte der Teufel, als er zwischen zwei Pfaffen lief.) Ihr zuversichtliches Gottvertrauen findet aber Ausdruck iu einem anderen srie- sischen Sprüchwort: „Givt Jott Jungens, givt he ook Bückseu!" — Auch die Frauen tragen die Züge strenger Ehrbarkeit und hohen Sinnes. Uebrigeus sind die Friesen nicht frei vom Aberglauben. Mancher Friese schwört darauf, iu stürmischer Nacht vom Strande aus das unheimliche Gespensterschisf auf den Wogen schwankend erblickt zu haben, und die Juugser, die Nachts am ein- samen Strande zu thun hat, hütet sich wohl, daß sie nicht dem „Waterkärl" mit den seegrünen Augen begegne, der schon so manche in seine fenchte Wohnung hinabgezogen hat. Hier fährt der Kiel des Schiffes über die Dächer versunkener Städte und Dörfer hinfort — die Jahde und der Dollart wissen davon zu er- zählen — und wer am Ostermorgen im Nachen aus die See hinausfährt, der sieht ganz deutlich auf ihrem Grunde Thurm, Giebel und Straßen, ja, er hört die Glocken aus der Tiefe läuten. Eigentümlich ist den friesischen Küsten- bewohnern die Gabe des sogenannten „zweiten Gesichts", welches sie breu- nende oder strandende Schiffe im Geiste schon lange vorhersehen läßt.
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