1878 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Regnet, A., Köppen, Fedor von, Barth, Hermann von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
88 Das Alpengebirge.
von 4500 Quadratmeilen. Sie erstrecken sich vom Lignrischen Meere bis zum
Donautieflande und dem Meerbusen von Fiume, oder von Genua bis nach
Wien und Trieft in einer Länge von 150 Meilen, während ihre Breite von
20 bis 40 Meilen wechselt. In ihrem ersten Theile, von den Erhebungen am
Meerbusen von Genua bis zur Montblancgruppe, folgen die Alpen der Rich-
tuug von Süd nach Nord, mit ihrem Ostfuße im Tieflaude des Po stehend,
die westlichen Vorketten gegen das Tiefland des Rhone vorgeschoben; in diesem
Theile ist die Richtung No.-Sw. vorherrschend. Bei der Montblancgruppe
beginnt die Spaltung in mehrere Züge, welche durch die Längenthüler der
Misse von einander geschieden sind und in den Richtungen gegen Nordost und
Ost fast fächerförmig aus einander gehen; ihren Nordfuß umgiebt auf der
Strecke von 70 Meilen ein Gürtel von Seeu, — der Genfer, Thuner, Vier-
Waldstädter, Zuger, Züricher, Bodeu-, Ammer-, Wurm-, Chiem-, Kochel-,
Mond-, Atter- und Trauusee, — und es bildet der Lanf der Donau, schon von
der Jnnmündnng an, bis gegeil Wien die äußerste Greuze ihrer nördlichen Ab-
dachung; ihr Südfuß steht in der lombardisch-venetianischen Tiefebene und um-
schließt ebenfalls einen Kranz von Seen,— Lago Maggiore, Lugano-, Como-,
Jseo- und Gardafee, — die mit ihrer prachtvollen Färbnng, ihren reizenden
Usern, ihrem milden Klima den herrlichsten Schmnck der Alpennatnr bilden.
Die Erhebung der Alpen ist sehr verschieden; die höchsten Gipfel liegen
an der schmälsten Stelle. Hier ist es der Montblanc (4810 in.), der höchste
Berg Europa's, dessen zackige Krone prachtvoll über den ihn umlagernden
Gletschern und Eisfeldern glänzt. Gegen Osten nimmt die Höhe der Alpen
im Allgemeinen ab, die Breite und Zerspaltung dagegen zu. Die Abdachung
nach Norden ist eine allmähliche, stnsenförmige; im Süden steigt man an
vielen Stellen ans dem Hochgebirge unmittelbar in die Ebene hinab, anch
liegen die bedeutenden Gipfelerhebungen dem Südfuße näher. Der Anblick
der Alpen ist daher von der Poebene ans imposanter, von Norden her
mannichsaltiger und lieblicher.
Tic Alpen, ein Riesenbauwerk der Schöpfung. Die Alpen erheben sich
als mächtige Denksänlen der Schöpsnngsgeschichte. Wir stehen oft bewundernd
vor den Bauwerken von Menschenhänden, den Thürmcn und Tempelhallen,
welche die Jahrhunderte übcrdanerten; — hier erblicken wir vor nns ein
Gottesgebäude, dessen Entstehung um Jahrmillionen vor der Geburt der ersten
Menschen zurückliegt.
Wir fußen auf einer der Hochzi'.rnen unserer nördlichen Alpen und vcr-
setzen uns im Geiste in jene Urzeit zurück, als die Berge und Felsen um uns,
als die ganze Erdoberfläche unter den fortwährenden gewaltigen Kämpfen der
Naturmächte, des Feuert und des Wassers, noch in der Bildnng und Waudluug
begriffen waren. Es ist die Periode der sogenauuteu Triasgebilde, der dritte,
vieltausendjährige Zeitraum in der Schöpfungsgeschichte. Noch liegen die
Gegenden im weiten Umkreise von den vergletscherten Firsten Centraltirols bis
zu einer verschwundenen Festlandsgrenze in der bayrisch-schwäbischen Hochebene
unter den Fluten des Triasmeeres begraben; aber ans dem Grunde dieses Meeres
hänft sich bereits das Material für die Gebirgsbauten einer fernen Zukuuft.