1878 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Regnet, A., Köppen, Fedor von, Barth, Hermann von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Der Kochel- und der Walchensee mit dem Herzogstande. 203
Seen der Paßhöhe gegen den Ferchenbach, an den dröhnenden Thalklammen
der Partenach vorüber ins Hintere Rainthal, wo der Wetterschrofen als stahl-
blanker Kegel, das Platt mit seinen Felsen und Krummholzgürteln, der
Schneefernerkopf mit seinem Eistalare vor ihm auftauchen. Steile Bergpfade
leiten ihn vom Abschlüsse des Partenachthales hinauf zu den Steinhügeln des
Platt und durch die Scharte „Am Gatterl" nach dem Tiroler Dorf Ehrwald
hinunter oder an den Fuß der Brunnthalköpfe zur Knorrhütte, welche
ein Alpenfreund den Befteigern der Zugspitze zum Obdache hier erbaute und
welche durch die Sektion München des Deutscheu Alpenvereins kürzlich re-
staurirt und zu einem mit allen Bequemlichkeiten ausgestatteten Aufenthalt ein-
gerichtet wnrde. Durch die Schuttwüste des Weißthals, über deu Gletscher
mit seinen gedehnten Firnterrassen, über die Geröllhänge und durch die
steile Rinne des „Kamin" geht es empor zum Grat, der jäh abstürzend den
Ausblick ins flache Land, über die Ammergauer und Planseer Vorgebirge er-
öffnet und an dessen Fuße im duftigen Blau der Eibsee schillert.
Nirgends kommt die gewaltige Masse des Wetterstein vollständiger zur
Geltung als an den Ufern dieses tiefen und klaren See's, wo die zerklüfteten
Schrofen des Waxenstein, die Riffel- und Zugwände den Rahmen des Land-
schastbildes abgeben, auf ihrem Scheitel Zinne an Zinne, Gipfel an Gipfel
sich drängt, aus ihreu Schluchten die Geröllströme sich hervorgießen und tiefe
Buchten ins dunkle Grün der Wald- und Krummholzzone schneiden. Wer die
ganze wundersame Schönheit des Anblicks genießen will, der lasse sich am
Spätabende von den lustigen Fischermädchen auf eine der kleinen Inseln, die
als abgerundete Knppen aus dem Wasserspiegel emportauchen, etwa auf die
Ludwigsinsel, hinüberrudern, wenn die riesigen Kalkwände von der Sonne
purpurroth erleuchtet werden und ihre Gluttöne sammt dem Schwarz der
Wälder sich im See wiederspiegeln. Eine arme Fischerfamilie hat ihre mehr
malerische als reinliche Hütte am östlichen User des See's, und ihre Mitglieder
sind dessen einzige Anwohner. Der See ist ihr Eigenthum; sie brachten ihn
im Jahre 1803 für einhundert Gulden vom Staate käuflich an sich. Zwischen
den Steintrümmern am Ufer suchen magere Ziegen ihr karges Futter. Nahen
Fremde, so kommen halbnackte Kinder aus der Hütte und bieten Alpenrosen
zum Kauf an oder schießen ein Pistol ab, um durch dessen Krachen das sieben-
fache Echo an der nahen Wand der Thörlen zu wecken, das wie lange fort-
rollender Donner in den Schluchten des Zugspitz-Labyrinthes verhallt.
Der Kochel- und der Walchensee mit dem Hcrzogstande. Zwei Wege
führen von Partenkirchen nach dem Flachlande; der eine durch das Loi-
sachthal, welches bei Eschenlohe, vier Stunden thalabwärts, sich verengt
und dann auf das öde Murnauer Moos und in die Hügelgegend des Alpenvor-
landes sich öffnet, — der andere über dashochplateau amsüdostfuße deresteru-
berge in das Jsarthal und weiterhin nach dem Kochel- und Walchensee.
Der Kochelsee, welcher in einer Höhe von 596 in. über dem Meere liegt,
etwa eine halbe Stunde breit, in seiner größten Länge über eine Stunde
lang ist und 80 m. in der Tiefe mißt, gewährt das Bild eines stillen, tiefen
Bergsees. Ansehnliche Bergwände baueu sich au seinem Südufer auf, während